Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
Vom Netzwerk:
fragte der Chef, ohne Strobe eine Sekunde Zeit zu lassen, die Frage des Staatsanwalts zu beantworten. Der Hauptkommissar fing mit der letzten, der unkomplizierteren der beiden Fragen an: „Von Dr. Hansen. Das hat er uns gestern erzählt. Von ihm wissen wir auch, dass sich Herr Sausele kurz mit dem Koch unterhalten hat.“
    „Ich verstehe immer noch nicht, was Sie damit sagen wollen“, hakte noch einmal der Staatsanwalt nach.
    „Am besten ich erzähle die Geschichte erst mal zu Ende, das bringt sicher etwas Klarheit“, erwiderte der Hauptkommissar.
    „Aber bitte zügig, Strobe“, drängte Bacchus und tippte auf seine Armbanduhr.
    „Also, noch mal zu Samstagnacht. Als ich Andrej Kovalev den Namen Sausele genannt habe, hat er sich sofort daran erinnert, dass der sich bereits früher am Abend ihm gegenüber so vorgestellt hatte.
    Jedenfalls schob Kovalevs Tante auch Sausele ein Essen in die Mikrowelle. Und auch der wollte sich eine Zigarette anstecken, wurde ebenso von Andrej auf das Rauchverbot hingewiesen und ging vor die Tür. Zwei Minuten später wollte die Tante den beiden Bescheid sagen, dass ihre Hähnchen warm waren. Sie machte die Tür auf, und da sah Andrej drei Personen zusammenstehen und sich unterhalten: seinen Bruder Juri, Herrn Sausele und eine weitere Person, die Andrej nicht kannte, aber deren Beschreibung vor allem wegen der auffälligen Frisur genau auf den Altenpfleger Hartmut Locke passt.“
    Der Staatsanwalt zog die Schultern nach oben.
    „Sie erinnern sich? Das ist der Pfleger aus dem Sonnenweiß-Stift, von dem Linde vermutet, dass er die Ampulle gestohlen hat, mit Lindes Schlüssel“, half ihm Strobe auf die Sprünge.
    „Gut. Weiter?“, drängelte der Chef schon wieder.
    „Na ja, das war alles, was Andrej Kovalev zum Kontakt zwischen Juri, Sausele und Locke mitbekommen hat. Die zwei standen wohl noch ein, zwei Minuten draußen. Sausele kam zuerst rein und nahm sein halbes Göckele mit in die Gaststube. Juri kam ein paar Minuten später rein und hielt sich dann noch eine Weile in der Küche auf, konnte wohl seine Verwandten noch dazu überreden, eine Nacht bei ihnen in der Pension schlafen zu dürfen. Danach verabschiedete er sich von Andrej, und der hat ihn seitdem nicht mehr gesehen. Sagt er. Und jetzt erzählst du am besten weiter“, wandte sich Strobe sogleich an Schell, damit Jung oder Bacchus nicht auf die Idee kamen, wieder zu unterbrechen.
    Schell setzte unverzüglich den Bericht fort: „Bettina Richter hat bei unserer gestrigen Vernehmung ausgesagt, dass Hartmut Locke auf Hansens Party auftauchte, sehr spät nachts. Soweit sie sich erinnern konnte, zwischen zwei und drei Uhr. Dürfte also in etwa zur gleichen Zeit gewesen sein, in der ihn Andrej vor dem Hintereingang sah. Locke wollte mit ihr noch irgendwo hingehen, einen Kaffee trinken oder so. Es schien sich schon seit einigen Wochen abzuzeichnen, dass Bettina Richters Beziehung zu Kevin Linde zu Ende ging. Seitdem hatte sie sich, rein freundschaftlich, wie sie sagte, ab und zu mit Locke getroffen und unterhalten. Der wollte aber anscheinend mehr von ihr. Auch in jener Nacht. Sie ließ ihn abblitzen, er zog wieder ab.
    Was den Bruder von Andrej Kovalev betrifft, von dem bekam sie angeblich nichts mit. Andrej habe ihr bisher nichts von ihm erzählt. Sie habe gar nicht gewusst, dass er einen Zwillingsbruder hat.
    Das Verhör gestern hat aber auch ergeben, dass Bettina Richter die Frau ist, die am Mittwoch letzter Woche beim Polizeirevier Lauffen angerufen und, ohne sich erkennen zu geben, vor einer Gefahr für die Heimbewohner gewarnt hat.“
    „Ach ...“ Der Staatsanwalt zeigte sich überrascht.
    Schell fuhr fort: „Das hat sie selbst eingeräumt, und der Beamte, der den Anruf entgegengenommen hatte, hat ihre Stimme auch wiedererkannt. Ihre Begründung für den Anruf erscheint mir allerdings nicht hundertprozentig schlüssig: Sie sagt, sie habe natürlich von den gehäuften Todesfällen im Sonnenweiß-Stift gehört gehabt. Alle Verstorbenen seien Patienten bei Hansen gewesen. Sie hat die Todesfälle irgendwie mit Linde in Verbindung gebracht. Er sei in letzter Zeit so komisch gewesen, behauptet sie. Aggressiv. Ab und zu habe er auch Bemerkungen gemacht, die ihr verdächtig vorgekommen seien. Zum Beispiel, dass viele Patienten menschenunwürdig dahinsiechen und sich sinnlos quälen würden. In dem Zusammenhang hatte er angeblich Namen von Bewohnern genannt, die dann tatsächlich gestorben seien. Auf unnatürliche Weise.

Weitere Kostenlose Bücher