Graue Schatten
sollten lieber den Mörder suchen!“ Dem stimmte auch der Boxer mit einem bösen Blick zu Schell zu, gefolgt von einem verwarnenden „Wuff“.
Mit dem Befehl: „Ruhig Wotan!“, brachte ihn sein Herrchen zum Schweigen.
„Genau das tun wir“, erklärte Strobe ruhig. „Wir müssen jeder Spur nachgehen, und dieser Juri Kovalev ist nun mal eine. Wir müssen alle Kontakte des Mannes überprüfen. Haben Sie ihn danach nicht mehr gesehen? Oder haben Sie mitbekommen, dass der Ukrainer noch zu anderen Personen Kontakt hatte?“
Die Erregung des Geschäftsmanns war schon wieder verflogen. „Dieser langhaarige Pfleger aus dem Sonnenweiß-Stift ist dann noch dazugekommen“, antwortete er. „Die haben sich noch länger unterhalten. Den Ukrainer habe ich an dem Abend und danach nicht mehr gesehen.“
Noch während Sausele antwortete, dachte Strobe, dass es nun Zeit für den Kontoauszug sei. Er nickte unauffällig seinem Kollegen zu. Schell zog das Blatt aus der Innentasche seiner Jacke, faltete es auseinander, legte es vor Sausele auf den Tisch und fragte, wofür er an jenem Montag fünftausend Euro gebraucht habe.
Sausele meinte entrüstet, dass das ja die Höhe sei: In seinen Konten rumzuschnüffeln. Diesmal blieb der Hund aber völlig ruhig. Er schaute nur sein Herrchen an, als wollte er fragen: Sagst du mir Bescheid, wenn du Hilfe brauchst? Gut erzogen das Tier, stellte Strobe fest.
Obwohl Sausele offensichtlich und verständlicherweise ein Problem damit hatte, dass die Polizei seine Konten überprüft hatte, stand er auf, ging zum Regal, griff einen Ordner heraus, knallte ihn auf den Schreibtisch und setzte sich wieder. Der Hauptkommissar versuchte ihn zu beruhigen, und erklärte ihm, dass es in einem Mordfall üblich sei, die Verwandten zu überprüfen.
Der Geschäftsmann knurrte ärgerlich „Schon gut!“, während er den Ordner aufschlug. Er heftete ein Blatt aus und schob es Strobe herüber. „Das ist der Kaufvertrag der Maschine, die ich mit dem Geld gekauft und bereits verliehen habe.“
Das Dokument war vom vergangenen Donnerstag. Das ließ sich Schell nun erklären, und auch, warum er die Maschine bar bezahlt hatte, was ja wohl heutzutage etwas unüblich sei.
Sauseles Begründung klang einleuchtend: Nach der Maschine wurde sehr selten gefragt, weshalb er deren Anschaffung bisher immer aufgeschoben hatte. Letzte Woche hatte er eine entsprechende Anfrage. Weil er die Maschine über längere Zeit verleihen konnte und sich das Geschäft lohnen würde, entschied er sich, sie nun zu kaufen. Der Kunde brauchte die Maschine aber erst am Freitag. Deshalb ließ sich Sausele Zeit. Er sah sich verschiedene gebrauchte Maschinen an, das Bargeld immer dabei, was ja wohl heutzutage beim Gebrauchtkauf sehr wohl üblich sei, und am Donnerstag schlug er günstig zu.
Schell gab nicht auf. Er schrieb sich die Adresse des Verkäufers auf. Dann fragte er noch nach der Anschrift des Kunden, der die Maschine ausgeliehen hatte. Sausele gab sie ihm ohne zu zögern.
Strobe bemerkte die Enttäuschung in Schells Gesicht. Der Hauptkommissar wiederholte, dass sie jeder Spur nachgehen müssten, und erwähnte die Möglichkeit, dass der Mörder ihn vielleicht persönlich verletzen wollte. Er solle doch noch mal überlegen, ob er nicht jemanden kenne, der ihm Schaden zufügen wolle. Und wenn ihm noch etwas einfallen würde, was auf den Mörder seiner Mutter hinweisen könnte, solle er ihn bitte anrufen. Er gab ihm seine Visitenkarte. Dann wünschte er einen schönen Tag, und die Beamten machten sich auf den Weg nach draußen. Sie hörten Sausele noch brummen, dass der Tag schon versaut sei.
Schell wirkte regelrecht geknickt. Seine Ermittlung sei für die Katz gewesen, meinte er draußen im Hof. Und sie seien keinen Schritt weiter. Strobe versuchte ihn damit zu beruhigen, dass dies nur eine von vielen Spuren gewesen sei. Sie müssten auch in den nächsten Tagen die Befragungen im Heim fortführen und allen Hinweisen nachgehen, einschließlich dem über den verwirrten, bulligen und zeitweise wohl nachtwandelnden Heimbewohner. Aber das nutzte wenig. Schell wollte den Misserfolg nicht wahrhaben.
Das Beste in so einer Situation war eine Pause. Aus der weiß gestrichenen Steinbude mit der roten Aufschrift auf der anderen Straßenseite strömten einladende Düfte nach Gebratenem herüber. Siggis Grill schien die erste Adresse im Gewerbegebiet zu sein, was den Mittagstisch für den Werktag betraf.
In dem beheizten Holzanbau der kleinen
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