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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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Das bedeutet, die Wirkung trat verzögert und auf mehrere Stunden verteilt ein. Andererseits hatte sie um diese Zeit noch einiges von der Morphiumspritze im Körper, die sie am Nachmittag bekommen hatte. Es wäre möglich, dass die Dosis für eine Atemdepression reichte.“
    „Sie meinen, Linde hat schon zu Beginn seiner Nachtschicht versucht Sausele zu töten, und weil das mit den Medikamenten nicht geklappt hat, nahm er später das Kissen?“, dachte Schell laut mit.
    „Würde Sinn machen. Es könnte ja auch sein, dass er das Diazepam vor zwanzig Uhr gespritzt hat. Sie sagten vorhin, das Beruhigungsmittel sei mindestens sechs Stunden früher gespritzt worden. Je früher, umso mehr Morphium wäre noch vom Nachmittag in Sauseles Körper vorhanden gewesen. Wann geht die Spätschicht nach Hause?“, fragte der Chef.
    „Neunzehn Uhr dreißig“, antwortete Strobe.
    Bacchus spann den Faden weiter: „Gut. Nehmen wir an, die Frau hat den Pfleger genervt. Er geht zum Medikamentenschrank, zieht eine Spritze auf und verschafft sich Ruhe. Mit der Zustimmung der alten Frau. Da Linde nach allem, was ich bis jetzt über ihn gehört habe, medizinisch sehr bewandert war, gehe ich davon aus, dass er wusste, dass die Spritze im Zusammenwirken mit dem Morphium zum Tode führen konnte. Er hat es also billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar gewollt. Als die Frau nachts um zwei immer noch nervt, vielleicht ständig klingelt, sieht er rot und drückt ihr das Kissen aufs Gesicht.“
    „Von einer Tötung aus Mitleid kann man wohl bei so einer Gewalttat nicht ausgehen“, bemerkte Schell.
    „Eher nicht“, stimmte Bachmüller zu.
    „Man kann auf jeden Fall annehmen, dass sie infolge der Wirkung der Medikamente nicht in der Lage war, sich heftig zu wehren“, wusste Dr. Schmidtke.
    „Übrigens, ist es allgemein üblich bei der Krankheit, die Marta Sausele hatte, Morphium zu spritzen?“, fragte Strobe den Mediziner.
    „Bei AVK sind eher Tabletten üblich, soweit ich weiß.“
    „Erzähl mal kurz was zu dieser AVK“, bat Strobe.
    „Arterielle Verschlusskrankheit. Wird durch Verkalkung in den Beinen hervorgerufen. Die Erkrankung befand sich bei der Frau in Stadium vier. Das heißt sie hatte Gewebeschäden an beiden Füßen. Der rechte große Zeh war bereits nekrotisch; das bedeutet, das Gewebe war tot. Wenn das tote Gewebe nicht entfernt wird, stirbt der Patient früher oder später an einer Sepsis. Ganz sicher hatte die Frau auch höllische Schmerzen.“
    „Sie hätte wohl im Dezember ihren Fuß amputiert bekommen, hat Hansen, ihr Hausarzt, gesagt“, merkte Strobe an.
    „Und sie hätte danach noch zehn Jahre leben können“, ergänzte Schell.
    „In Schmerzen und ohne Lebenswillen“, fügte Dr. Schmidtke noch hinzu.
    „So hat Linde wahrscheinlich auch argumentiert und damit sich selbst gegenüber sein Tun gerechtfertigt.“
    Bacchus hat seinen Täter schon, dachte Strobe. „Nur eins will mir nicht in den Kopf“, wendete er ein: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Linde so blöd ist zu glauben, dass niemand den Diebstahl aus dem Giftschrank bemerkt.“
    „Es wird eine Erklärung für seine Fehleinschätzung geben“, meinte Bachmüller. „Vielleicht war es Überheblichkeit. Übrigens, haben Sie nach der passenden gebrauchten Spritze gesucht?“
    „Wir haben im Spritzenabfall nachgesehen, das ist so ein kleiner Spezialbehälter aus Plastik. Der war halb voll mit Kanülen. Wir haben den Behälter vorsichtshalber mitgenommen; es waren aber ausschließlich Kanülen von Insulinspritzen drin. Die Spritzen, die nicht mehr in diesem Behälter lagen, waren bereits entsorgt worden und liegen schon auf irgendeiner Müllkippe. Die Müllabfuhr war am Mittwoch im Sonnenweiß-Stift. Und falls Linde es wirklich getan haben sollte, hat er die Spritze gewiss so entsorgt, dass sie keiner findet.“
    „Sie zweifeln daran, dass Linde für den Tod der Bewohnerin verantwortlich ist, Herr Strobe“, stellte der Chef fest.
    Nachdem Strobe statt einer Antwort nur ratlos die Hände ein paar Zentimeter hochhob und hörbar tief ausatmete, fügte Bachmüller hinzu: „Wer aber sonst hätte ein Motiv? Und vor allem: Wer sonst hatte die Gelegenheit, wer war zur Todeszeit noch am Tatort? Einer der Bewohner? Oder doch ein anderer Pfleger?“
    Strobe wusste keine Antwort darauf. Er wollte für sich behalten, dass es wieder mal nur sein Instinkt war, der dem Pfleger keinen Mord zutraute.
    Der Chef redete weiter: „Wobei sich dann wieder die Frage

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