Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
Vom Netzwerk:
die Hand.
    „Kein Küsschen heute?“, fragte er und hielt ihre Hand fest. Larissa wollte sie wegziehen, doch Locke drückte blitzschnell fest zu, sodass sie ihn dabei an sich heran zog. „Wie bist’n du drauf?“, fragte sie erschrocken.
    Er ließ los. „Sorry, ich bin auch bisschen durcheinander, wegen dem ganzen Trouble im Heim“, entschuldigte er sich und schaute sie dabei immer noch entrückt an. Sie trat einen Schritt zurück. Einen Augenblick lang hatte Locke etwas geradezu Bedrohliches an sich gehabt. Es knackte im Einfüllstutzen des Benzinschlauches, der in Lockes Karre steckte. Anscheinend war der Tank voll. Locke beachtete es nicht.
    „Wo geht's denn hin?“, fragte er.
    „Heilbronn“, antwortete sie und ging zu ihrem Auto.
    „Warte doch mal. Ich will dir was erzählen.“ Er kam ihr hinterher.
    Davon abgesehen, dass es mittlerweile halb sieben sein musste, hatte Larissa längst überhaupt keine Lust mehr, mit Locke zu reden.
    „Andermal. Ich hab's wirklich sehr eilig.“ Sie winkte kurz und stieg ein.
    Sie hatte die linke Hand an der noch offenen Tür und wollte gerade den Zündschlüssel ins Schloss stecken, als er plötzlich an der Fahrertür war. Er riss sie einfach auf und beugte sich herunter.
    „Tschuldigung. Hast du heute Morgen mit Anna geredet?“ fragte er gekünstelt sanft.
    „Ja, warum?“
    „Was hat sie so erzählt?“
    „So gut wie gar nichts. Warum denn?“
    „Ich mache mir Sorgen um das Mädchen.“ Er lümmelte sich an den Türrahmen. „Mir hat sie heute Morgen auch nichts erzählen wollen.“
    „Sie steht vermutlich unter Schock. Locke, ich muss los!“ Sie ließ den Motor an. So langsam wurde der Typ lästig.
    „Schon gut. Ruf mich morgen mal an, okay?“ Endlich trat er vom Auto zurück.
    „Mach ich, tschau!“
    Sie trat aufs Gas. Auf der Hauptstraße schaute sie kurz zurück und sah, wie Locke zügig zu seinem Auto ging.
    Sie schaffte es doch noch fast pünktlich. Fünf nach halb sieben war sie an der Bushaltestelle Uferstraße. Betti stand schon da, in ihren modernen beigefarbenen Mantel gehüllt.
    „Hi! Wie geht's?“ Betti ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und schlug heftig die Tür zu.
    „Sorry, ich kann mich nicht an deine neuen Türen gewöhnen“, entschuldigte sie sich sofort dafür. Die beiden umarmten sich erst einmal, und Betti schaute Larissa einen kurzen Moment lang an, als wollte sie etwas loswerden, was sich eine Woche lang angestaut hatte. Als wollte sie sagen: Endlich können wir mal ungestört reden, es gibt so viel zu erzählen. Aber sofort wendete sie sich wieder ab.
    „Also los. Die Venezia-Diät wartet“, sagte Betti stattdessen nur.
    Larissa fuhr los.
    Ihre Freundin hatte eine neue Frisur. Kurz, modern und bestimmt kein Zehn-Minuten-Schnitt. Dafür hat sie anscheinend Zeit gehabt, dachte Larissa. Seit sie Betti kannte, hatte sie ihre Haare entweder offen getragen oder hinten mit Spangen zusammengehalten.
    „Steht dir gut, die Frisur“, sagte sie zu ihrer Freundin.
    „Danke. Bin gestern zufällig in Heilbronn an dem Friseurladen vorbeigekommen. Da war so ein Angebot, und ich hab halt kurz entschlossen zugeschlagen. War sowieso Zeit für eine Veränderung.“
    „Mir reicht's jetzt erst mal mit Veränderungen“, entgegnete Larissa.
    „Wieso? Wegen Kevin? Aber das hab ich doch schon vor Monaten gesagt, dass es irgendwann mal einen Knall gibt und es aus ist. Ich meine, so wie es die letzte Zeit lief, das war ja keine Beziehung mehr“, plapperte Betti in einem recht sorglosen Ton, wie Larissa fand.
    „Ich meine ja nicht nur eure Trennung. Seit letzten Sonntag ist so viel passiert!“
    Larissa konnte gerade nicht weiterreden. Sie musste sich auf die Straße konzentrieren und gleichzeitig ihre innere Erregung unterdrücken. Sie wusste nicht, was sie gerade mehr aufregte. Waren es die Ereignisse der vergangenen Woche, die plötzlich in ihr aufstiegen, jetzt wo sie sich aussprechen konnte? Oder lag es daran, dass ihre Freundin so unbekümmert schien, so als wäre überhaupt nichts passiert?
    „Ja, ich weiß“, war alles, was Betti nun sagte. Sie hatte wohl gemerkt, wie es Larissa gerade ging, wusste vielleicht nur nicht, wo sie anfangen sollte.
    „Wieso hast du dich nicht mehr gemeldet, seit Dienstag?“, fragte Larissa.
    Was Betti nun erzählte, hörte sich danach an, als wolle sie sich herausreden. Außerdem war nichts davon neu: Das Chaos in der neuen Wohnung, in die Andrej auch erst vor Kurzem eingezogen war, und der damit

Weitere Kostenlose Bücher