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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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sich Strobe heraus, in der Hoffnung, dass jene der rundum zufriedenen Frau Schmidt am Herzen liegen würde.
    Dann ging er, beim heutigen Tag angefangen, die Woche rückwärts durch: Wie oft hatte sie den Schwesternnotruf betätigt? Else Schmidt spielte das Gedächtnisspiel mit: Sie hatte heute noch nicht geklingelt. Gestern, am Freitag, einmal nachmittags, weil sie aus dem Sessel geholt werden wollte. Konnte sie sich erinnern, welche Schwester oder welcher Pfleger daraufhin kam? Natürlich! Das war die Schwester Gerdi. Die mit der lauten Stimme. Auch eine ganz Nette.
    Beim Donnerstag verließ Frau Schmidt vorerst ihr Gedächtnis. Als Strobe der Frau aber die Namen der Pflegekräfte aus dem Dienstplan vorlas, die an dem Morgen da gewesen waren, und sie den Namen Kevin Linde hörte, war sie sofort wieder im Bilde. Ja, der Herr Kevin, der hatte sie am Donnerstagmorgen aus dem Bett geholt und ins Bad gefahren. Danach war er anderweitig aufgehalten worden. Da hatte sie klingeln müssen, damit ihr jemand im Bad half, und da war dann Schwester Larissa gekommen.
    Also am Donnerstagmorgen einmal geklingelt. Und am Nachmittag? Die Frau wusste nun selbst, wer von den Pflegekräften da gewesen war. Und sie hatte nicht geklingelt.
    Nachts? Da war der Herr ... wie hieß er gleich? Richtig! Der Herr Tom war da. Die Klingel hatte sie nicht gedrückt. Sie schlafe immer sehr fest, müsse nur selten nachts raus, sagte sie. Langsam kommen wir der Sache näher. Strobe hoffte auf ein Wunder. Er arbeitete sich mit ihr weiter rückwärts durch die Woche bis zum Sonntag. Frau Schmidt war sich immer sehr sicher, was ihre Erinnerung betraf, mit jedem Tag verknüpfte sie ein Ereignis. Am Donnerstag war die arg nette Anna noch da gewesen. Die war ja leider jetzt krank. Am Mittwoch war Gymnastik gewesen, Anna hatte sie runter gefahren. Am Dienstag hatte die herzliche Irene sie gebadet, wie immer einmal in der Woche.
    Ein wahrer Glücksfall die alte Dame, dachte Strobe nicht ohne Bewunderung. Wenn er sich nur so gut an die Ereignisse der vergangenen Woche erinnern könnte!
    Schließlich waren sie bei Sonntagnacht angelangt. Und – sie hatte geklingelt! Gegen neun Uhr abends. Später nicht mehr? Nein. Ganz sicher nicht? Strobe blätterte in seinem Notizheft, tat so, als suche er eine bestimmte Seite und behauptete schließlich, Herr Linde hätte noch ein Uhr vierzig eingetragen.
    Nein, da musste er sich getäuscht haben, vielleicht eine andere Bewohnerin. Sie wusste noch ganz genau: Der ganz arg liebe Herr Kevin hatte am Sonntag das letzte Mal Nachtdienst gehabt. Er war abends nach acht noch mal ins Zimmer gekommen, hatte sie begrüßt. Nach neun hatte sie ins Bett gewollt. Er hatte ihr geholfen, ihr eine gute Nacht gewünscht und gesagt, dass sie sich erst am Donnerstag wieder sehen würden, weil das seine letzte Nachtschicht sei. Er wusste ja, dass sie meistens durchschlief.
    Das hörte sich überzeugend an. Trotzdem eher enttäuscht bedankte sich Strobe, wünschte Frau Schmidt noch alles Gute und verließ das Zimmer. Linde hatte offensichtlich gelogen. Nicht, dass es ein Alibi für ihn gewesen wäre, wenn die Bewohnerin seine Aussage bestätigt hätte. Aber Strobes Meinung über den Pfleger und seine Schuld oder Unschuld wäre gefestigt worden. Er hätte einen Anhaltspunkt mehr dafür gehabt, in welche Richtung er seine Ermittlungen lenken müsste. Das war aber nun doch eher ein Punkt gegen Kevin Linde.
    Auf dem Flur kam ihm Schell entgegen. Larissa Groß sei nicht da gewesen. Er habe sich stattdessen mit einem Pfleger unterhalten. Und Uschi sei gerade gekommen. Sie sei schon am Giftschrank zugange.
    „Gut, da werde ich sie jetzt nicht stören. Sie wird heute sowieso nicht mehr so gut auf mich zu sprechen sein.“
    „Und bei dir? Erfolgreich?“, fragte Schell.
    „Wie man's nimmt.“
    „Sie hat nicht geklingelt“, schien Schell an Strobes Miene abzulesen.
    „Die Frau ist für ihr Alter und dafür, dass sie in diesem Heim lebt, bemerkenswert fit. Sie hat sehr plausibel begründet, warum sie sich an die Nacht erinnere“, bestätigte Strobe Schells Vermutung.
    „Hab ich doch gesagt, der Kerl lügt.“ Den Triumph konnte sich Schell wieder einmal nicht verkneifen.
    „Also gut, dann setzen wir jetzt die Befragung von Lindes Gegenschicht fort. Nimmst du dir die Station A vor?“, lenkte Strobe schnell ab und erklärte: „Das ist die Station, auf der letzte Woche dieser Herr Fritz erstickt ist.“
    „Bolustod! Er ist nicht erstickt“,

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