Graue Schatten
verbundene Möbelkauf, die Überstunden wegen der Abrechnungen in der Praxis. Dass Betti erst einmal hatte Abstand gewinnen müssen, erschien Larissa noch am glaubwürdigsten. Aber Abstand von ihr, ihrer besten Freundin? Irgendwas stimmte da nicht! Betti hatte sich immer bei ihr ausgesprochen.
Auch indem Betti gleich wieder ablenkte und sie fragte, wo Larissa ihre geilen Sneakers herhabe, zerstreute sie Larissas Verdacht nicht. Sie nannte ihr lakonisch den Versand und schwieg dann.
Betti plauderte unbesorgt weiter, während Larissa kommentarlos zuhörte. Über neue Möbel und Klamotten. Als Betti anscheinend merkte, dass Larissa gerade nicht in der Stimmung für diese Art von Konversation war, fuhren sie eine Minute schweigend durch den nasskalten, dunklen Novemberabend.
Es war nicht mehr weit bis Heilbronn, als Larissa sagte: „Vorhin hat die Kripo wieder bei mir angerufen“
„Echt?“
„Der Kommissar hat mir Fragen über Locke gestellt.“
„Was denn?“
Larissa berichtete, was der Kripobeamte gefragt und was sie ihm erzählt hatte. Dann erwähnte sie, dass sie sich auch nach Kevin erkundigt hatte.
„Und?“
„Es sieht anscheinend nicht gut aus für ihn. Er sitzt in Untersuchungshaft. Eine Frau hatte wohl vor ein paar Tagen bei der Polizei angerufen und ihn indirekt beschuldigt, etwas mit dem Tod von mehreren Heimbewohnern zu tun zu haben.“
Nun sagte Betti nichts.
„Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass da irgendwas dran ist“, fuhr Larissa fort und hoffte, dass ihre Freundin ihr nun zustimmte und eine Handvoll Gründe dafür aufzählen würde, dass Kevin dafür, wofür er offensichtlich verdächtigt wurde, gar nicht in Frage kam.
Aber Betti schwieg weiter.
Obwohl Larissa schon bemerkt hatte, dass Betti nicht mehr so gut auf Kevin zu sprechen war, traf sie ihr beharrliches Schweigen in dem Moment so, dass sie unbewusst abrupt vom Gas ging.
Hinter ihr hupte es. Sie sah kurz in den Rückspiegel und gab wieder etwas Gas. Gleichwohl steigerte sie das Tempo nur auf sechzig. Das war der kleinen Autoschlange, die sich hinter ihnen gebildet hatte, offensichtlich zu langsam. Drei Autos zogen vorbei, das erste wieder aggressiv hupend. Das war Larissa egal. Wie immer, wenn sie in Gedanken woanders war, veränderte sich ihr Fahrstil vom rasant sportlichen zu dem eines Sonntagsfahrers. Sie schaltete von Fern- auf Abblendlicht und verringerte das Tempo wieder, als alle vorbei waren. „Was ist denn nun zwischen euch passiert?“, wollte sie nun endlich von Betti wissen.
„Passiert ...?“
„Am Sonntag zum Beispiel, du wolltest mir doch noch was erzählen!“
„Passiert ist eigentlich nichts ... zwischen uns ...“ Betti ließ sich Zeit, ehe sie fortfuhr.
„Okay, wir haben uns gestritten am Sonntag, wieder einmal. Das war ja nichts Neues. Er ist ja dann wieder abgehauen, zu Locke. Und als er weg war, habe ich was entdeckt. In seinem Arbeitszimmer. Etwas Furchtbares. Wenn ich dir das erzähle ... das gibt dir den Rest!“ Betti holte tief Luft.
„Mach's nicht so spannend. Was hast du entdeckt? Liebesbriefe von einer anderen. Oder Bilder?“
Oder Drogen? Diesen Gedanken behielt sie aber für sich.
„Nee. Was ganz anderes ... Du, ich erzähl’s dir lieber im Café, du kannst dich ja so schon kaum konzentrieren. Und das wird dich echt umhauen!“
„Quatsch, ich fahre vorsichtig. Jetzt erzähl!“
Sie fuhr sehr langsam. Anscheinend zu langsam, denn hinter ihr drängelte schon wieder einer.
Der Arsch hat sogar das Fernlicht an, stellte Larissa fest. Obwohl hinten auf der Hutablage der riesige Plüsch-Berner-Sennenhund lag, den Kevin mal beim Frühlingsfest – eigentlich für Betti – erlegt hatte, und der die kleine Heckscheibe fast verdeckte, störten Larissa die Scheinwerfer des Autos hinter ihr. Sie kippte den Innenspiegel herunter, beschleunigte aber nicht im Geringsten.
„So ein Depp“, schimpfte sie.
„Der fährt total dicht auf, oder?“, bemerkte nun auch Betti. Sie hatte recht. Er fuhr gefährlich dicht auf und scherte immer wieder links aus, um anzudeuten, dass er überholen wollte. Das ging aber nicht. Die Straße war kurvenreich und es kamen immer wieder Autos entgegen.
„Der fährt mir noch rein, wenn er so weiter macht“, befürchtete Larissa.
Betti drehte sich nach hinten um. „Der tickt doch nicht ganz richtig.“
Ein oder zwei Minuten ging das so weiter. Seltsamerweise hupte der Drängler nicht. Ausgerechnet auf der schnurgeraden Neckartalstraße reihte
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