Grauen im Grand Hotel
Psychologe schüttelte den Kopf, wobei sich ansonsten bei ihm nichts regte.
»Kenne ich nicht. Der Name ist mir unbekannt. Ich habe ihn noch nie gehört. Klingt russisch oder bulgarisch.«
»Er ist Russe und Mitarbeiter des KGB!«
»Dann hat er seit kurzer Zeit schlechte Karten.«
»Das kann ich nicht beurteilen, darum geht es auch nicht. Sie kennen ihn also nicht?«
»So ist es.«
»Er wohnt hier im Grand Hotel.«
Satorius breitete die Arme aus. »Ich bitte Sie. Schauen Sie sich das Hotel an. Es ist sehr groß. Oder kennen Sie jeden Gast, der hier gebucht hat?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Wann beginnt Ihr nächster Kurs?«
»Das ist schon die zweite Frage. Sie strapazieren meine Geduld sehr, aber ich will Ihnen eine Antwort geben. Der zweite Kurs beginnt im nächsten Jahr.«
»Dann ist es vorbei?«
»Ja, wir haben uns für den Spätsommer und den Frühherbst entschieden. Die letzten sind abgereist.«
»Wie?«
»Weg, nicht mehr hier.«
»Und Monica Grandi?«
»Die kenne ich nicht.«
»Klar, entschuldigen Sie, daß ich Sie aufgehalten habe. Es war nur eine Frage.«
»Und ich werde bald auch abreisen, Herr Sinclair. Dann können Sie in aller Ruhe Ihren Urlaub genießen, Wanderungen durchführen, die herrliche Frühherbstsonne genießen und…«
»Woher wollen Sie wissen, daß ich hier Urlaub machen will?«
»Wären Sie sonst hergekommen?«
»Möglicherweise bin ich beruflich unterwegs.«
»Ja, das ist dann Ihr Problem.«
Er hatte mich zur Tür begleitet und versuchte es dort mit dem puren Hohn. »Falls Sie Probleme haben, bei deren Lösung ich Ihnen behilflich sein kann, lassen Sie es mich wissen.«
Ich schaute in seine hellen Augen, deren Blick mir so falsch und verlogen vorkam. »Ich glaube, daß ich dieses Angebot sogar annehme. Ich bin fest davon überzeugt, daß Sie mir helfen können.«
»Dann erwarte ich Ihren Bescheid.« Er drehte sich um und ging wieder zurück in das Haus.
Wie einen Schulbuben hatte er mich abgefertigt. So jedenfalls sah es aus. Ich hoffte zugleich, sein Mißtrauen erweckt zu haben. Wenn er nicht zu überheblich war, dann mußte er erkannt haben, daß ich auch seinetwegen gekommen war. Wo steckte Wladimir Golenkow? Hatte er auch zu den Gästen des Psychologen gehört? Hatte er sich eingeschlichen, um ihm das Handwerk zu legen? Beides war möglich.
Ich ging durch den stillen Park zurück zum Hotel. Es war noch wunderbar warm, obwohl der Nachmittag bereits weit fortgeschritten war. Die ersten Wanderer kehrten von ihren Touren zurück. Sie waren erschöpft, aber glücklich. In Gruppen standen sie vor der Hoteltreppe und ließen ihre Blicke schweifen. Als wollten sie Abschied nehmen, so genossen sie noch einmal die herrliche Landschaft. Ich stieg langsam die Stufen hoch. An der Rezeption war es zwar nicht so leer wie am Mittag, aber die junge Dame, die mir schon einmal so freundlich Auskunft gegeben hatte, legte soeben den Hörer auf und entdeckte mich.
»Ah, Herr Sinclair. Haben Sie Ihren Freund gefunden?«
»Leider nein.«
Ihr Gesicht verschloß sich. »Das ist schade. Er wird sicherlich noch unterwegs sein.«
»Vielleicht treffen Sie ihn beim Dinner.«
»Davon gehe ich aus. Ich hätte eine andere Bitte an Sie.«
»Gern.«
Ich beugte mich vor und sprach leiser, damit mich keiner der anderen Gäste hörte, die das Hotel betraten. »Es geht um diesen Psychologen.«
»Dr. Satorius?«
»Richtig.«
»Was ist mit ihm?«
»Nun, ich lernte ihn kennen. Er hat auch über sich und seine Arbeit gesprochen. Ich interessierte mich dafür, aber er erklärte mir, daß er seine Zelte für dieses Jahr abbrechen würde.«
»Das stimmt.«
»Und seine Gäste sind schon weg?« Sie lächelte mich an.
»Ja, es ist keiner mehr hier. Er hat die Rechnung beglichen. Morgen wird er ebenfalls abreisen und erst im nächsten Jahr zurückkehren.«
»Haben Sie denn gesehen, wie die Gäste abreisten?«
»Nein, ich nicht. Das erledigte alles Dr. Satorius. Außerdem gehört ihm ein kleiner Bus. Er bringt die Leute zum Bahnhof nach St. Moritz, falls diese nicht mit dem eigenen Fahrzeug gekommen sind. Es geht alles seinen Gang. Wir haben eigentlich nicht viel mit den Menschen zu tun. Wir stellen nur oben einen kleinen Trakt zur Verfügung, ansonsten sind sie und der Doktor autonom.«
»Ich danke Ihnen.«
»Gern geschehen.« Sie warf ihre blonden Locken zurück. »Gefällt es Ihnen denn bei uns?«
»Ja, sehr gut.«
»Und falls Ihr Freund erscheint, soll ich Ihnen dann Bescheid
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