Grauen im Grand Hotel
einige der Patienten hatte es schon erwischt, und es würde wieder jemand dazukommen. Als Rocco stehenblieb, da wußte Argus, daß sich der Mann für genau die Stelle entschieden hatte. Erließ die Leiche über seine Schulter rollen und kümmerte sich auch nicht darum, daß sie mit einem dumpfen Laut aufschlug.
Auf dem Rücken blieb sie liegen. Rocco streckte den Finger aus. »Fang hier an zu graben.«
»Und was machst du?«
»Ich schaue mich mal um.«
Argus glotzte ihn an, bevor er nickte. »Okay, aber du wirst auch was tun.«
»Sicher. Ach ja, grab nicht zu tief. Es lohnt sich nicht.«
Argus lachte und schaute auf Roccos Rücken, als der Mann davonging. Er schlug eine Richtung ein, die ihn zum Waldrand führte. Dort blieb er stehen, holte eine Zigarette aus der Packung und rauchte in aller Ruhe. Der andere hatte die Kettensäge neben sich zu Boden gelegt. Immer in Griffweite. Seit er diesen Fremden gesehen hatte, war er noch vorsichtiger geworden.
Mit dem Spaten stach er die Grasnarbe auf. Es war zu erkennen, daß er diese Arbeit nicht zum erstenmal durchführte. Er hatte auch die Maße eines Grabs im Kopf, zeichnete sie zunächst in den weichen Boden und begann zu graben.
Nach einer Weile kehrte Rocco zurück. Er deutete gegen den Himmel.
»Bald wird es dunkel.«
»Zum Glück.«
»Richtig.«
Argus wischte den Schweiß von der Stirn. »Ist das Grab tief genug?«
»Fast.«
»Dann mach mit, verflucht!«
Rocco ließ sich nicht lange bitten und griff zum Spaten. Sie hatten es eilig, denn sie durften auf keinen Fall zu spät kommen. Vor ihnen lag eine Nacht, auf die sie und der Doktor sehr lange gewartet hatten. Sie war wichtig, die Nacht der Nächte, der lebenden Toten, der Zombies und des Grauens.
Und sie würden zuschauen können, wie diese Geschöpfe sich die Opfer holten.
Konnte es ein größeres Vergnügen geben, als endlich einen Erfolg zu erleben?
»Fertig, das reicht!« sagte Rocco keuchend. Sein Partner schleuderte sofort die Schaufel zur Seite.
»Nimm die Tote, Argus!«
»Warum ich?«
»Mach schon, verdammt!«
Es sah schaurig aus, wie sich Argus bückte und den Leichnam in dem immer dichter werdenden Dunst anhob. Beide Männer wirkten wie zwei Gestalten, die aus einem alten Gruselfilm hätten entsprungen sein können.
Über ihnen verdunkelte sich der Himmel. Er nahm eine seltsame Bläue an, als wäre ein Vorhang dabei, sich allmählich zu schließen, damit diese Welt nicht mehr sichtbar war.
Argus legte die Leiche flach in das Grab. Mit den Füßen stieß sie gegen die hintere schmale Begrenzung. »Gut so?«
Rocco nickte. Er rauchte mittlerweile seine zweite Zigarette, ließ sie zwischen den Lippen kleben und griff zur Schaufel, während Argus den Spaten nahm und damit Erde und Gras auf die Tote schleuderte. Da sie diese Arbeit nicht zum erstenmal verrichteten, lief sie ihnen schnell von der Hand.
Zum Schluß klopften sie noch die Erde glatt.
»Gut so«, sagte Rocco.
Auch Argus war zufrieden. Er hob seine Kettensäge an, keuchte plötzlich und drehte sich auf der Stelle, wobei er das Geräusch der Säge imitierte. Rocco schüttelte den Kopf. Seiner Meinung nach tickte Argus nicht richtig. Er war auf diese Waffe fixiert, suchte stets nach einer Chance, sie einzusetzen.
»Fertig?« fragte er.
Argus stoppte in der Bewegung. »Ja, wir können.«
Rocco nahm Spaten und Schaufel. Er schleuderte sie ein paar Meter weiter, wo sie neben den breiten Zweigen einer Tanne liegenblieben.
»Zum Haus«, sagte er dann. Es gab nichts, was Argus jetzt lieber getan hätte. Er dachte an den Fremden und hoffte, ihn noch zu finden. Dann hätte ihn keiner davon abhalten können, die Kettensäge einzusetzen. Eine zweite Begegnung würde der Mann nicht überleben…
***
Ich kam mir vor wie ein unruhiger Panther, der zum erstenmal die Enge des Käfigs zu spüren bekommt. Dabei waren weder das Hotel noch das Zimmer ein Käfig, aber ich war zu aufgeregt, um ruhig zu sein. Zudem wußte ich nicht, wo ich anfangen sollte. Zuerst bei Wladimir Golenkow oder bei diesem verdammten Psychologen, der hier im Hintergrund geschickt seine Fäden zog.
Vielleicht war ich auch zu schnell verschwunden. Ich hätte ihn härter anfassen sollen, nur gehörte er zu den Typen, die so leicht nicht aufgeben würden.
Er hatte mir einiges von seinen Plänen verraten, trotzdem wußte ich nicht genau über ihn Bescheid. Nach wie vor blieb er ein Rätsel für mich. Eines stand fest, ich hatte es bei ihm nicht mit einem Dämon zu
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