Grauen im Grand Hotel
tun, sondern mit einem normalen Menschen. Wobei ich das Wort normal durchaus in Klammern setzen wollte. Aber gerade dieser Mensch handelte so wie ein Dämon, und da gab es nur eine Möglichkeit. Er war beeinflußt worden.
Er gehörte zu denjenigen, die den schwarzmagischen Teufeln und Götzen dienten. Die darauf stolz waren, die sich darüber freuten und die sich die entsprechende Macht und den großen Lohn von diesen Wesen versprachen.
Wer aber steckte hinter ihm?
Der Teufel?
Ich glaubte nicht daran. Wahrscheinlich hätte er mich dann gekannt, denn Asmodis sorgte dafür, daß seine Diener auch mit den Namen seiner eigenen Feinde versorgt wurden.
Wie ich es auch drehte und wendete, es sah nicht gut aus. Ich bekam einfach keine Lösung.
Dreimal hatte ich mich hingesetzt, dreimal war ich wieder aufgesprungen, durch den Raum getigert, dann zum Fenster gegangen und hatte hinausgeschaut auf den kleinen Ort Sils-Maria, dessen Häuser sich so malerisch in dem Tal verteilten.
Allmählich verabschiedete sich der Tag. Nur die Spitzen der über dreitausend Meter hohen Berge genossen noch das Bad in den Sonnenstrahlen, und selbst das mächtige Gletschereis schien sich in der Wärme wohlzufühlen. Ein wunderschönes Postkartenbild, dessen Anblick ich nicht so recht genießen konnte, denn meine Gedanken wanderten in andere Richtungen. Ich dachte an diesen verdammten Fall und auch daran, daß ich ihn hoffentlich irgendwann einmal beenden konnte. Ich drehte mich wieder um.
Das weiße Telefon stand neben dem Bett. Ich hob ab und rief an der Rezeption an. »Hier Sinclair, ist…?«
»Nein, Herr Sinclair, es tut uns leid, aber Ihr Bekannter ist noch nicht eingetroffen.«
»Danke.«
Ich legte auf. Sehr sacht, in Gedanken versunken. Meine Lippen bildeten einen Strich. Etwas rieselte durch meinen Körper wie feines Eis, ich fühlte mich so verdammt unwohl in meiner Haut, auch deshalb, weil ich nicht wußte, wo ich ansetzen sollte. Möglicherweise wußte Wladimir viel mehr als ich.
Wenn ja, hatte er mit seinem Wissen auch etwas anfangen können? Das war die Frage, und ich konnte mir sogar vorstellen, daß er auf diesen Satorius reingefallen war, einen Mann, der es auch geschafft hatte, den Hotelier und seine Mitarbeiter zu täuschen.
Selbst mich hatte er abfahren lassen.
Auch seine Helfer durfte ich nicht vergessen. Der Kerl mit der Kettensäge stieß mir noch jetzt auf wie sauer Bier. An den zweiten hatte ich ebenfalls keine gute Erinnerung. Die beiden würden für ihren Herrn und Meister durch das Fegefeuer und auch durch die Hölle gehen, wenn es denn sein mußte.
Nein, das Zimmer konnte mich nicht mehr halten. Ich mußte raus, weg, verließ es und traf auf dem Flur zum erstenmal Gäste. Die Menschen hatten sich umgezogen, um das Dinner einzunehmen.
Mir hätte man die exquisitesten Speisen der Welt hinstellen können, ich hätte davon keinen Bissen gegessen. Der Druck und die Spannung waren zu hoch.
Während sich die Hotelgäste um die beiden Lifttüren versammelten, nahm ich die Treppe.
Auf ihrer letzten Etappe konnte ich in die Halle hineinschauen, die von den Klängen eines Klaviers durchweht wurde. Ein Mann im schwarzen Frack hockte vor dem Instrument und spielte mit halb geschlossenen Augen Musical-Melodien.
In der Halle standen die Gäste zusammen, die sich dort verabredet hatten.
Die meisten hatten sich in Schale geworfen. Zwar wurden keine dunklen Anzüge und Abendkleider getragen, aber eine Krawatte sahen die Männer als Pflicht an.
Ich ließ die Treppe hinter mir und schaute zur Rezeption hin, wo die nette junge Frau einen ziemlich gestreßten Eindruck machte, mich aber trotzdem sah, die Schultern hob und mir ein wenig hilflos zulächelte. Ich ging zu ihr.
»Nichts, Herr Sinclair.«
»Ich weiß.«
»Sollen wir Ihren Freund suchen lassen?«
Ich tätschelte ihren Handrücken. »Um Himmels willen, der ist doch nicht in eine Gletscherspalte gerutscht.«
»Man kann ja nie wissen.«
»Nein, nein, ich schaue mich mal draußen ein wenig um. Vielleicht kommt er noch.«
»Dann wollen Sie nichts essen?«
»Heute nicht — danke.« Ich nickte ihr zu und ging. Die Luft war herrlich. Wunderbar kühl, würzig, als hätte ich sie extra für meine alten Lungen bestellt.
Ich schaute die Stufen der Treppe hinab. Auf dem schmalen Parkplatz davor stand ein mit Getränkekisten beladener Transporter. Zwei Männer waren dabei, ihn zu entladen.
Ich schlenderte auf sie zu, passierte den Wagen und schaute den normalen Weg
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