Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)
ist das?«, flüsterte sie.
Murphy entging nicht die Nervosität in ihrer Stimme. Er brauchte einige Augenblicke, bis er sich wieder unter dem schmerzhaften Protest seiner Knochen aufrichten konnte. Demi sah ihn an und deutete dann über das Feld zu einem alten, heruntergekommenen Bauernhaus. Aus der Ferne war der Hof nur ein verschwommener, finsterer Schemen, wie ein altes Wrack, das auf den Feldern verrottete. Bis sich Murphys Augen auf die Entfernung eingestellt hatten, vergingen wertvolle Sekunden. Seine Beine schmerzten immer noch und sendeten stechende Wellen durch seinen gesamten Körper. Doch dann sah er, worauf ihn Demi aufmerksam machen wollte.
Auf einem kleinen Feld mit vertrockneten Büschen bewegten sich zwei Schatten. Ihre Schritte waren träge, die Haltung nicht die eines Menschen. Murphy konnte nur zwei schwarze Flecke vor dem Hintergrund des ebenso schwarzen Gehöftes ausmachen. Doch er wusste sofort, was sich dort unten auf den Äckern bewegte.
»Sie scheinen sich in den Bauernhöfen zu verstecken«, zischte er zwischen zusammengepressten Lippen hervor. »Ich war bisher der Meinung, sie würden menschliche Behausungen meiden.«
»Das hat auch Wulf gesagt«, flüsterte Demi aufgeregt.
Murphy schüttelte den Kopf.
»Wir haben uns geirrt«, rief er, während er unbeachtet der Schmerzen um den Wagen zur Fahrerseite rannte, das Gewehr zwischen Demis Beine in den Fußbereich warf und mit einem lauten Knall die Tür zuschlug. Das Mädchen beobachtete voller Grauen, wie die beiden Schatten auf dem Feld in ihren schleppenden Bewegungen plötzlich innehielten.
»Wir müssen Wulf und Daryll warnen«, versuchte Murphy das Dröhnen des Motors zu übertönen, als er Gas gab. »Die ganze Stadt könnte voll von diesen Kreaturen sein.«
IV
Wulf betrachtete voller Unbehagen die eingeschlagene Glastür des Drugstores. Jemand musste vor ihnen bereits in dem Laden gewesen sein. Er wünschte sich, er hätte dem Jungen nicht die Anweisung gegeben, den Motor laufen zu lassen. In einer schweigsamen Welt hörte sich das altertümliche Knattern eines verrosteten Motors wie das Inferno eines Unwetters an. Wer vermochte zu sagen, wen sie mit diesem Lärm auf ihre Gegenwart aufmerksam machten? Doch sie konnten es sich nicht leisten, wertvolle Zeit zu verlieren, die ein solch alter Wagen benötigte, bis der Motor endlich ansprang. Wer – oder was – sich vielleicht noch in der Stadt aufhielt, konnte sie aus einem Hinterhalt heraus angreifen. Und dann würde es auf jede Sekunde ankommen.
Wulf hielt seine Waffe quer vor der Brust, während er mit vorsichtigen Schritten auf den Eingangsbereich des Drugstores zuging. Dabei ließ er ebenso wenig die Umgebung aus den Augen. Als er die Tür erreichte, knirschten Glassplitter unter seinen schweren Motorradstiefeln. Er versuchte die Dunkelheit im Innern des Ladens mit seinen Blicken zu durchdringen. Durch zwei Fenster im hinteren Bereich des großen Raumes und das kleine Schaufenster neben der Eingangstür fiel bleiernes Licht in den Store und wischte die Farben im Innern fort. Wulf hatte das Gefühl, in einen seit Jahren verlassenen Raum zu blicken, der mit einer dicken, grauen Staubschicht bedeckt ist. Er drehte sich kurz zu Daryll um. Der Junge saß aufrecht im Wagen, zielte mit seiner Waffe auf den Laden und nickte ihm mit ernster Miene zu.
Wulf mochte den Jungen. Er war ein Kämpfer, auch wenn er es selbst noch nicht wusste.
Als er den Laden betrat, zerschnitt das brechende Glas unter seinen Füßen die Stille des Hauses wie der Schrei eines Kleinkindes. Wulfs Körper spannte sich an, seine Nackenhärchen stellten sich auf.
»Ist da jemand?«
Er beschloss, sich als Überlebender zu erkennen zu geben. Denn irgendjemand war in den letzten Tagen zweifellos durch diese Stadt gekommen, was die eingeschlagenen Autoscheiben auf dem Parkplatz und die eingetretene Tür des Drugstores bewiesen. Wenn dieser Jemand sich immer noch in Kagan´s Creek aufhielt und sich vielleicht sogar ausgerechnet dieses Haus als sein Domizil ausgesucht hatte, wollte Wulf vermeiden, mit einer dieser Kreaturen verwechselt zu werden.
Niemand antwortete ihm. Das Haus schien verlassen. Nirgends knarrte eine Bodendiele oder quietschte eine Tür, die vorsichtig geöffnet wurde. Wulf verharrte eine volle Minute bewegungslos. Dabei hielt er unbewusst den Atem an, um auf jedes kleine Geräusch achten zu können, doch aus dem aschefarbigen Zwielicht des Ladens antwortete ihm nur Schweigen. Das Dröhnen des Motors vor dem
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