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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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zum Bus zurückzulaufen und sich zusammen mit den anderen aus dem Staub zu machen. Stattdessen legten sich seine Finger um das kalte Metall des Griffes, verharrten dort für einige Augenblicke und rissen die Tür schließlich in einer schnellen, fließenden Bewegung nach außen, wobei Wulf im selben Moment die Waffe wieder mit beiden Händen ergriff und einige Schritte zurück und zur Seite sprang.
Warme, abgestandene Luft berührte ihn für einige Sekunden, ehe sich die Kälte des Tages wieder um seine Schultern legte. Immer noch blieb alles still. Keine Bewegung, kein Atmen. Er glaubte, ein leises an- und abschwellendes Summen zu vernehmen, doch seine Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt, so dass er sich dieses Geräusch auch durchaus einbilden konnte.
Wulf hatte das Gefühl, dass Stunden vergangen sein mussten, ehe er es erneut wagte, sich der offenen Tür zu nähern; bereit, jederzeit den Abzug der Pumpgun durchzuziehen. Als er den Fuß auf die erste der beiden Stufen stellte, die in die Baracke führten, überkam ihn das absurde Gefühl, eine völlig andere Welt zu betreten. Durch die Fenster zu beiden Seiten der Tür fiel genügend Licht, dass er die Umrisse einiger Schränke und Tische erkennen konnte. Er atmete tief ein. Sein Körper verwandelte sich in eine angespannte, kalte Feder, als er mit einem weit ausholenden Schritt in den Lagerschuppen trat und mit blitzschnellen Bewegungen der Waffe erst nach links zielte, sich umdrehte und die rechte Seite der Tür abdeckte. Sein Herz schlug so heftig, dass seine Kehle zu schmerzen begann. Dank des Adrenalins, das seinen gesamten Körper wie ein Gefäß ausfüllte, war Wulfs Blick so scharf und klar wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Was er sah, ließ ihn zurücktaumeln, bis er den Türpfosten im Rücken spürte. Schlagartig wurde sein Körper in ein Meer kalten Wassers getaucht. Er atmete heftig ein und aus, um einen Würgereiz zu verhindern.
An den Wänden standen mehrere Metallschränke, sowie mit Gittertüren gesicherte Stahlkäfige, in denen er die Umrisse unzähliger Gewehre und Pistolen erkennen konnte. In der Mitte des Raumes standen zwei Tische, auf denen mehrere Papierstapel, sowie einige Aktenordner und eine leere Stofftasche lagen. An der Wand direkt neben der Tür hing ein Telefon.
Doch was Wulfs rasenden Herzschlag für einige Sekunden aussetzen ließ, war der hoch aufgerichtete Leib einer alptraumhaften Kreatur, die mit starken Seilen an einen Balken der Dachkonstruktion gebunden war. Wulf starrte auf das nackte, braune Geschöpf, dessen Schädel auf die Brust hing. Jemand hatte ihm den halben Schädel weggeschossen, dennoch war deutlich die wölfische Form und der leicht geöffnete Fang mit spitzen, braunen Zähnen zu erkennen. Eine schwarze getrocknete Masse bedeckte die Reste des Schädels und hatte auf dem Boden eine dunkle Lache hinterlassen. Im Tageslicht glänzende Fliegen schwirrten um die offene Wunde oder labten sich an der schleimigen Pfütze.
Vorsichtig trat Wulf näher. Der Geruch nach verwesendem Fleisch hing lediglich als schwache Ahnung in der Luft. Der Körper musste bereits seit Wochen an dem Balken hängen und war ausgeblutet und vertrocknet. Dennoch konnte Wulf die immense Kraft erkennen, die dem Körper der Bestie einst innewohnte. Unter dem verfaulten Fleisch zeichneten sich dicke Stränge aus Muskeln und Sehnen ab. Wulf bezweifelte, dass er die Arme der Kreatur mit beiden Händen umfassen konnte. Doch das Wesen reglos im Schein des Tageslichts, das durch die Fenster in den Raum fiel, hängen zu sehen, zeigte ihm deutlich die Vergänglichkeit selbst solch grauenvoller Geschöpfe.
Wulf spürte, dass die Anspannung wie ein zu enger Anzug von seinem Körper fiel. Er drehte sich einmal um sich selbst und zielte mit der Waffe in jede Ecke des Raumes, wobei er es vermied, der Bestie den Rücken zuzuwenden. Schließlich ließen das Rauschen des Blutes in seinen Ohren und das ekstatische Hämmern seines Herzens nach. Zurück blieb das gierige Summen der Fliegen, die sich mit den Überresten der Schreckenskreatur vollfraßen. Wulf richtete sich auf und ließ die Waffe sinken. Der Raum war sicher.
Er begann die Schränke zu untersuchen und stellte fest, dass sie lediglich durch simple Schlösser gesichert waren. Mit gezielten Schlägen des Gewehrkolbens überwand Wulf die Hindernisse und durchforschte mit fahrigen Bewegungen die Regale und Stahlkassetten, die sich ihm boten. Er wollte auf keinen Fall länger als nötig in dem Raum

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