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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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mit der toten Kreatur verbringen. Das gierige Summen der Insekten erfüllte schon nach wenigen Sekunden seine Gedanken, als würden die Fliegen geradewegs durch seinen Kopf schwirren.
Er griff nach der schwarzen Tasche auf einem der Tische und begann seine Beute achtlos hineinzuwerfen. Mit jedem Magazin und jeder Patronenschachtel fühlte er sich ein klein wenig sicherer. Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht, das ihn seltsamerweise an das Lächeln eines Wahnsinnigen erinnerte. Vielleicht hatten ihn die Anspannungen und Erlebnisse der letzten Tage tatsächlich um den Verstand gebracht. Vielleicht war dies die Art und Weise, wie sein Selbsterhaltungstrieb mit der bizarren Tatsache umging, dass er sich alleine mit dem Kadaver einer todbringenden Kreatur in einem Schuppen voller Waffen und Munition befand, während die Welt um ihn herum ihre Stimme verloren hatte.
Wulf war es egal, ob er im Begriff war, verrückt zu werden. Wenn dies bedeutete, dass er und seine Gruppe überlebten, war er gerne bereit, den Preis zu zahlen. Als er die Tasche bis zum Rand vollgestopft hatte, griff er seine Pumpgun und eilte mit schnellen Schritten zum Ausgang. Auf halbem Weg stoppte er noch einmal und warf dem gefesselten Geschöpf einen langen Blick zu.
Er wusste nicht, was er dachte. In diesen wenigen Augenblicken waren seine Gedanken leer, als hätte jemand einen Schalter in ihm umgelegt und seinen Verstand abgestellt. Die Vorstellung einer derartigen Kreatur war zu groß, um vom simplen menschlichen Denken erfasst zu werden.
Er ließ die Tasche zu Boden sinken, hob seine Waffe und legte auf das Getier an. Mit angehaltenem Atem visierte er die Überreste des gigantischen Schädels an. Er konnte jede einzelne Fliege im Tageslicht glitzern sehen, hörte ihr Summen wie ein endloses, tristes Lied in seinem Kopf. Dann senkte er den Lauf, nahm die Tasche und ging auf den Hof der Militärbasis hinaus, ohne die Kreatur eines weiteren Blickes zu würdigen.
XIV

Als Murphy nach einigen Minuten, die ihm wie die längste Zeit seines Lebens vorkamen, sah, wie Wulf den Wagen wendete und zu ihnen zurückkehrte, wäre er am liebsten ausgestiegen und hätte den Riesen am Kragen gepackt. Zum einen, um ihm die Frage zu stellen, warum in Gottes Namen er ihn und die Kinder alleine zurückgelassen hatte. Zum anderen aber auch – und Murphy schämte sich nicht dafür – weil er das dringende Bedürfnis hatte, diesen Narren in die Arme zu schließen und nie wieder loszulassen.
Wulf hielt direkt neben der Tür des Busses und zog eine schwarze Tasche vom Beifahrersitz. Ein breites Grinsen stand auf seinem Gesicht, als er die Tasche auf die Stufen des Einstiegs stellte. Mit feierlicher Miene öffnete er den Reißverschluss. Murphy beugte sich nach vorn und auch die Kinder kamen von ihren Sitzen gekrochen und spähten über Murphys Schulter.
»So ganz umsonst soll unser Besuch hier nicht gewesen sein«, sagte Wulf und konnte seine Aufregung kaum verbergen.
Die Tasche war bis zum Rand mit Munition für ihre Waffen gefüllt. Gewehrpatronen, sowie mit einem Stahlmantel umhüllte Geschosse für die Pumpgun, dazu Magazine für die Magnum. Daryll erkannte auch einige Handgranaten und Signalfackeln.
Wulf sah einen nach dem anderen an, wie es ein kleiner Junge tun würde, der in der Schule Einsteins Relativitätstheorie gelöst hatte. Murphy schlug ihm auf die Schulter. Daryll griff sich eine der Granaten und drehte sie fasziniert in den Händen. Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
»Wow!«, entfuhr es ihm. »Damit kann man ein ganzes Haus in die Luft sprengen.«
»Dachte ich mir auch«, strahlte Wulf übers ganze Gesicht. »Lass diese Bestien nur kommen. Wir werden ihnen ordentlich den Arsch aufreißen.«
Er blickte entschuldigend zu Demi. Doch das Mädchen brach in lautes Gelächter aus, in das sie alle binnen einer Sekunde einstimmten. Zum ersten Mal seit zwei Wochen erlebten sie einen normalen Augenblick in einem – wenn auch nur für wenige Sekunden – normalen Leben.
Wulf stellte die Tasche auf die Ablage vor der Windschutzscheibe. Er betätigte die Scheibenwischer und hinterließ graue und gelbe Schlieren auf der Scheibe. Über die tote gefesselte Kreatur im Lagerschuppen verlor er kein Wort. Es gab Dinge im Leben, die man besser für sich behielt, im Interesse aller.
Als sie langsam über den Hof von ›Boscom Field‹ auf das Tor zufuhren, war ihr Lachen bereits wieder verstummt und angespanntem Schweigen gewichen. Dennoch spürten sie so etwas wie

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