Graues Land (German Edition)
Klopfen kleiner Steine gegen den Boden des Pick-ups zurück. Das träge Dröhnen der alten Maschine erscheint mir plötzlich als das schönste Geräusch der Welt – eines der wenigen Überlebenden aus der alten Zeit.
Ich schüttele den Kopf um meine Gedanken klar zu bekommen. Die gute alte Zeit. Woher will ein alter Mann, abseits jeder größeren Stadt, wissen, ob die gute alte Zeit zu Ende ist? Wer hatte ihm denn gesagt, dass sie beendet sei?
Die wichtigste und gleichzeitig auch beängstigende Frage aber leuchtet wie eine grelle Neonreklame in meinem Kopf: Was kommt nach der guten, alten Zeit? Was konnte besser als gut sein?
Nach gut kommt schlecht , sage ich mir und spüre im gleichen Augenblick wie sich ein düsterer Schleier über meine Gedanken legt und jegliche aufkeimende Verzweiflung zu unterbinden sucht.
Mit ausdruckslosen Augen starre ich in die bizarre Welt jenseits der mit Fliegen und Dreck beschmutzten Windschutzscheibe hinaus, wobei ich es vermeide, meinen Blick zu den Bäumen oder Feldern wandern zu lassen. Ich möchte nicht daran erinnert werden, dass ich wohl nie wieder den vertrauten Anblick meiner Heimat sehen oder das Gefühl von Geborgenheit in mir spüren werde, wenn ich mich auf den Weg zu Murphys Laden mache. Vielleicht habe ich auch einfach nur Angst davor, einem weiteren Shoggothen zu begegnen. Meine Augen starren stur auf das graue Straßenband, das mir verwaist und lange schon unbenutzt erscheint. Wann ist wohl der letzte Wagen auf dieser Strecke gefahren? Ich versuche mich zu erinnern, ob ich in den letzten Tagen das Geräusch eines Motors oder rumpelnder Reifen gehört habe.
Doch alles, was ich in meiner Erinnerung finde, ist die Stille, welche zu meinem und Sarahs ständigem Begleiter geworden ist. Kein Auto. Kein rotes Fahrrad, das den kleinen Daryll den Hügel hinaufbringt, damit er mir mit einem erschöpften Lächeln die Zeitung bringen kann. Sein Lächeln war stets eine Spur breiter geworden, wenn ich ihm den einen oder anderen Dollar entgegengehalten hatte.
Die Welt hat sich weitergedreht.
Doch in welche Richtung?
Ich fühle mich schläfrig, ohne Musik und die Abwechslung der Natur, die ich stets genossen habe. Das, was an den Wagenfenstern entlangzieht wie eine schauerliche Parade, will ich nicht sehen.
Als meine Hand erneut den unweigerlichen Griff zum Radio versucht, denke ich an den Abend zurück, an dem ich vor einigen Tagen in das aufgebrachte und erschöpfte Gesicht der jungen Nachrichtensprecherin im Fernsehen geblickt habe ...
Ich hatte mich beeilt, Sarah zu waschen und für die Nacht frisch einzukleiden. Ich fühlte mich ihr gegenüber lausig, denn jetzt lag sie viel früher in ihrem dunklen Zimmer, als sie es gewohnt war - sofern sie dies überhaupt noch registrierte. Doch ich wollte mit meinen täglichen Arbeiten fertig sein, um die Abendnachrichten im Fernsehen anzuschauen. Ich wusste nicht, warum ich das tun wollte, doch die Nachrichten der vergangenen Tage hatten selbst einen alten Narren wie mich nervös gemacht.
Bislang hatte ich stets in der Annahme gelebt, dass sich all das Schlimme, das man am Abend in den Nachrichten zu sehen bekam, lediglich auf den Rest der Welt beschränkte. Nie hätte ich den Gedanken zugelassen, das sich eines Tages einmal der verpestete Atem einer Welt, die schleichend, aber unabdingbar vor die Hunde ging, die Hügel hinauf durch die Wälder schlängeln würde und unsere eigenen Gedanken mit Furcht durchtränkte. Doch genau dies war geschehen.
Etwa eine Woche ist es her, dass die junge Nachrichtensprecherin, die ich immer schon im Geheimen als bezaubernd und hübsch empfunden hatte, mit ernstem Gesicht von fürchterlichen Anschlägen in Europa berichtete. Sie erzählte mit einer Stimme, die all ihre Erotik, die mir stets so an ihr gefallen hatte, vermissen ließ, von einem bislang unbekannten arabischen Terrornetzwerk, das mittels getarnter Attentäter Anschläge mit nuklearen und bakteriellen Waffen in verschiedenen europäischen Großstädten verübt hatte.
Ich konnte an dem Abend nicht wirklich viel mit diesen Meldungen anfangen, denn sie gehörten schon fast zum festen Bestandteil der Nachrichten aus der Welt jenseits unserer Hügel. Doch die zittrige Stimme der jungen, hübschen Frau und ihr Blick, der dem eines eingeschüchterten Kindes glich, hatten mich unweigerlich an den Fernseher gefesselt. Ich fühlte mich wie in einem Alptraum, aus dem man trotz eines fürchterlichen Schreis nicht erwachen wollte.
Sie sprach
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