Graues Land (German Edition)
mir in den letzten Tagen angeeignet habe. Mein Blick wandert durch den verwilderten Garten, durch die Wipfel der Bäume, zum Schuppen und über den Rand des Brunnens. Überall hin, von wo aus Gefahren lauern können. Dann betrachte ich das weite Feld jenseits des Zaunes. Doch die Wiese liegt unbeweglich, das Gras wirkt ausgedörrt. Kein Halm bewegt sich in der kühlen Morgenluft.
Der Geruch von feuchtem Gras und dampfender Erde steigt mir in die Nase, als ich zum Wagen zurückgehe. Während ich den Motor starte und sein rostiges Knattern das Schweigen der Welt zerstört, blicke ich zum Haus zurück. Meine Augen klettern die Fassade aus morschen, farblosen Holzlatten empor, zu unserem Schlafzimmerfenster.
Es widerstrebt mir, sie alleine zu lassen. Schon der Gang zum Brunnen, um Wasser zu holen, kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit, in der ich sie alleine in ihrem stillen Zimmer zurücklassen muss.
Zu Murphys Laden sind es gut fünfzehn Minuten mit dem Wagen. Ich kann also frühestens in einer Stunde zurück sein, wenn ich all meine Einkäufe erledigen und mich nach Murphys Wohlbefinden erkunden will.
»Pass auf sie auf«, flüstere ich und blicke dabei in das düstere Grau des Himmels. Ich weiß nicht, ob ich meine Worte wirklich an Gott richte, doch er scheint der Einzige, den ich in dieser Welt noch um Hilfe bitten kann.
Einen letzten Blick auf die Holzläden des Schlafzimmerfensters werfend, lege ich den Rückwärtsgang ein, was ein protestierendes Knirschen im Getriebe zur Folge hat, und fahre mit dem Wagen über den schmalen Pflasterweg zur Vorderseite des Hauses. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend lasse ich den Pick-up über den sandigen Weg bis hinunter zur Straße rollen. Das Metall ächzt unter mir, und ich muss das Lenkrad mit beiden Händen festhalten, damit der Wagen nicht ausbricht.
Als ich die asphaltierte Straße erreiche, blicke ich mich nach allen Seiten um. Doch irgendwie weiß ich, dass ich die Strecke für mich alleine habe. Während ich den Hügel hinunter zu Murphys Hütte fahre, legt sich meine rechte Hand unwillkürlich auf den kalten Schaft des Gewehres.
III
Als das brüchige, graue Band der Straße an mir vorbeirauscht, habe ich das absurde Gefühl, mich immer tiefer in eine surreale Welt hineinzuwagen. Ich kenne die Gegend um die Hügel seit über vierzig Jahren. Jeder Baum und jede Unebenheit auf der Straße bedeuteten bisher für mich einen unverzichtbaren Teil meines Lebens.
Doch an diesem Morgen, dem ersten, an dem ich mein Haus verlasse seit es begonnen hat, erscheint mir die Welt wie ein fremdartiges, fürchterliches Gemälde. Als versuche Gott selbst, seine Schöpfung zu verspotten.
Durch die dicke Wolkendecke dringt kaum Tageslicht. Die Sonne ist lediglich als blasser Schemen hinter grauem Dunst zu erahnen und taucht den Himmel in kränklichen Schimmer. Tiefe Schatten liegen über dem Land und verwandeln die Wälder und Felder in ein gespenstisches Kunstwerk. In den Senken der schwarzen Äcker hängen bleiche Nebelschwaden wie lange vergessene Seen.
Nichts ist mehr wie es einmal war.
Das Land ist fremd, als hätte sich ein Riss aufgetan und eine fürchterliche, leere Welt offenbart. Plätze und Bäume, die mich stets an meine Zeit mit Sarah erinnert haben, wirken plötzlich bedrohlich. Die früher einmal nach Gras und Erde duftende Luft ist erfüllt mit dem herben Gestank von Zerfall, die Wälder sind schwarz.
Während das Land als unwirklicher Alptraum an mir vorüberzieht, sucht meine Hand unweigerlich den Weg zu dem altertümlichen Radio, das Sarah und mich in so manchen Vollmondnächten begleitete, als wir einfach nur am Straßenrand angehalten und uns gemeinsam die Herrlichkeit einer stillen, klaren Sternennacht betrachtet hatten. So althergebracht sich das auch anhören mag, für zwei verliebte Menschen waren diese Momente der Himmel auf Erden.
Der Knopf gibt ein lautes Klicken von sich, danach folgt lediglich statisches Rauschen. Was hatte ich erwartet?
Meine Finger drehen am Sendersuchlauf. Doch ich weiß, dass ich selbst die kleine Station in Devon nicht empfangen werde. Trotzdem drehe ich noch eine Weile, wobei sich das Rauschen mit schrillen Pfeiftönen abwechselt. Keine Musik, keine simplen Scherze, über die ich nie hatte lachen können, doch nach denen ich mich jetzt plötzlich sehne. Keine Nachrichten, die mich bis in meine Alpträume verfolgen.
Als ich das Radio wieder abschalte, bleiben das rostige Quietschen der Fahrerkabine und das träge
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