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Graues Land (German Edition)

Graues Land (German Edition)

Titel: Graues Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Gesetze des Staates nicht selten bis zur Schmerzgrenze dehnt.
    »Ich brauche Vorräte«, antworte ich und blicke sehnsüchtig zur mit Brettern vernagelten Tür des Ladens.
    »Ich habe nichts mehr.«
    Plötzlich ist der Gewehrlauf wieder auf mich gerichtet. Ich stehe da, befinde mich im dunkelsten Traum, den man sich vorstellen kann, und spüre bei Murphys Worten das nagende Gefühl aufkommenden Hungers. Der Gedanke, meine eigene Waffe zu heben und den sturen Mistkerl hinter dem Fensterladen mit einem gezielten Schuss zu erledigen, kommt mir so verlockend vor, das ich entsetzt vor mir selbst einen Schritt zurückweiche.
    »Nun komm. Sarah und ich brauchen etwas zu Essen. Mach deinen verdammten Laden auf«, sage ich stattdessen. Nur mit Mühe gelingt es mir, meine Beherrschung zu wahren.
    »Der Laden ist geschlossen. Herrgott, Harv ... Hast du nicht mitbekommen, was passiert ist?«
    Murphy erinnert mich an einen Hassprediger, wie ich sie in diversen Weltuntergangsfilmen gesehen habe.
    »Die ganze Welt ist vor die Hunde gegangen«, fährt er fort. »Die Bomben haben irgendetwas freigesetzt. Bakterien oder Viren ... oder so etwas in der Art.«
    Der Gewehrlauf beginnt zu zittern, und ich kann förmlich sehen, wie sich mein Freund schwer auf einen Stuhl fallen lässt.
    »Es ist nichts mehr am Leben. Keiner ist übrig«, schluchzt die Stimme hinter dem Holzladen. »Nur diese verdammten Viecher.«
    Das Gewehr verschwindet. Der Lichtschein zwischen den Ritzen in den Läden flackert unruhig.
    »Und wieso stehe ich dann hier?«, frage ich und breite erneut meine Arme aus, jedoch darauf bedacht, nicht noch einmal versehentlich auf die Hütte zu zielen. Mein Freund scheint mit den Nerven am Ende zu sein, und eine Provokation meinerseits, wenn auch unbedacht, könnte tödlich enden, ganz gleich, wie eng wir befreundet sind. Verdammt, ich selbst habe noch vor einer Minute darüber nachgedacht, Murphy einfach abzuknallen.
    Auf meine Frage antwortet nur die kalte Stille des Morgens. Einige Blätter rascheln über den Parkplatz. Ich spiele mit dem Gedanken, einfach zur Vorderseite des Ladens zu gehen, die Tür aufzubrechen und mich in `Murphys Fein- und Delikatessengeschäft´ zu bedienen. Sarahs eingefallene Wangen erscheinen wie ein Mahnmal vor meinen Augen. Dazu, wie eine Überblende in einem schlecht gemachten Film, die Regale unserer kleinen Speisekammer hinter der Küche, deren Bretter nach und nach verwaisen.
    Während ich die geisterhaften Bilder in meinem Kopf zu verbannen suche, erinnere ich mich an Murphys Worte, die er mir jedes Mal sagte, wenn ich mit Sarah den Laden betreten hatte: »Bedient euch nur. Ihr wisst ja, wo alles steht.«
    Mein Freund hatte stets die Philosophie vertreten, seine Kunden persönlich zu bedienen.
    Nicht etwa aus purer Höflichkeit, wie viele Fremde vermuteten, sondern einfach nur deshalb, weil er auf diese Weise eventuellen Ladendiebstählen vorbeugen konnte. Während Sarah und ich uns also bedient haben, da wir ja wussten, wo alles steht , hatten wir Murphy dabei beobachten können, wie er mit seinen braunen Papiertüten durch die Regalreihen geflitzt war, um den Leuten ihre Wünsche zu erfüllen.
    Noch ehe mir bewusst wird, was ich tue, setze ich einen Fuß vor den anderen und gehe vorsichtig auf die hölzernen Stufen der Veranda zu. Doch im nächsten Augenblick erstarre ich förmlich zu Eis, als ich das metallische Klicken des Spannhahnes über mir hören kann. Das Geräusch erinnert mich unsinnigerweise an das Schließen eines rostigen Schlüssels in einem ebenso verrosteten Schloss.
    »Verschwinde, Harv. Ich habe geschlossen.«
    Ich lasse den Kopf gesenkt und starre von unten her auf den Lauf des Gewehres, der sich erneut durch die Lücke zwischen den Holzläden geschoben hat.
    »Murphy ...« beginne ich, doch die Stimme meines ehemals besten Freundes lässt mich verstummen.
    »Ich meine es ernst, Harv! Verschwinde! Oder Sarah wird alleine in deinem Haus verrecken!«
    Dafür, dass Murphy Sarah ins Spiel führt, spüre ich plötzlich einen lodernden Hass in mir aufsteigen, der mich fast etwas Unüberlegtes tun lässt. Der Gedanke, jemanden zu töten, war noch nie so anregend wie in diesem Augenblick.
    »Eins ...«, beginnt Murphy zu zählen.
    »Okay, okay.«
    Meine Arme zur Seite hin ausbreitend, gehe ich langsam die schmale Auffahrt zur Straße zurück. Dabei lasse ich die Hütte nicht aus den Augen. Mit jedem Schritt, den ich tue, scheint sich das Haus tiefer in die Schatten der Bäume zu

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