Graues Land (German Edition)
Sonne schien, um den Tau funkeln zu lassen. Der Gedanke, dass sich über diese Wiese einmal die Nacht senken könnte, war ihm nie gekommen. Warum auch? Murphy und ich waren zwei verliebte Narren gewesen, die in ihrem Leben das große Los gezogen hatten. Da wurde düsteren Gedanken im Kopf einfach der Zutritt verwehrt.
Und doch hatte das Schicksal eines Tages einen besonders harten Schlag für Murphy bereitgehalten, denn niemand auf der Welt ist glücklich, ohne eines Tages die Rechnung dafür zu bezahlen. Und Murphys Rechnung war verdammt hoch ausgefallen.
Acht Jahre sind jetzt fast vergangen, seit er eines Abends in den Laden kam und Audrey hinter der Kasse fand, leblos, mit verrenkten Gliedern und einer kinderfaustgroßen Wunde an der Stirn.
Jemand hatte sie mit einem der großen Bonbongläser niedergestreckt. Die Kasse stand offen, rote und gelbe Bonbons lagen verstreut auf dem Boden und auf Audreys Bluse. Aus dem Zigarettenregal fehlten fast alle Päckchen. Audreys Augen starrten blicklos zur Decke.
Als Murphy sie an jenem Abend so fand, war etwas in ihm zerbrochen. Er war nie wieder derselbe gewesen, was ich durchaus verstehen kann, weiß ich doch, was Audrey meinem Freund bedeutet hat. Seitdem hatte ich oft das Gefühl, einem vollkommen Fremden gegenüberzustehen.
Murphy hatte sich zurückgezogen, von allem und jedem, selbst von mir und Sarah. So oft Sarah in dieser Zeit auch zu ihm gegangen war, um für ihn da zu sein oder einfach nur mit ihm zu reden, so frustriert war sie auch wieder nach Hause gekommen. Auch ich, der ich mich damals als Murphys bester Freund bezeichnete, fand keinen Zugang zu seiner Trauer und schaffte es nicht, auch nur ein einziges Steinchen aus seiner selbsterrichteten Mauer der Isolation herauszubrechen. Nach Devon fuhren wir nie wieder. Murphy entwickelte sich immer mehr zum Eigenbrötler, dessen Augen oft in weite Ferne gerichtet waren, und der nur das Nötigste sprach. Ich glaube, wenn ich heute so darüber nachdenke, waren Sarah und ich zu dieser Zeit die Einzigen gewesen, mit denen er zumindest ab und zu noch eine Tasse Tee getrunken hat, nachdem wir in seinem Laden einkaufen waren. Geredet hat er dabei nie viel. Er antwortete auf unsere Fragen oder sprach über Belanglosigkeiten. Das Thema Audrey vermieden wir alle drei.
Später, als Sarah nicht mehr mit in den Laden kommen konnte, wandte Murphy sich mir etwas mehr zu, ohne sich jedoch weiter zu öffnen, als er es selbst wollte. Vielleicht tat er das nur, weil er mit mir fühlen konnte. Er wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, den Menschen zu verlieren, der einem am wichtigsten im Leben war, wenn der Sonnenschein über der Blumenwiese plötzlich von dunklen Wolken verdeckt wurde.
Zu jener Zeit waren wir wieder so etwas wie Freunde gewesen. Zwar nicht in dem Maße, wie wir es auf den Volksfesten in Devon waren, wenn sich das Funkeln blinkender Lichter in unseren verliebten Augen gespiegelt hatte, aber doch so weit, dass ich Murphy meinen Schmerz anvertrauen konnte und er mir zuhörte, ohne peinlich berührt in eine andere Richtung zu schauen.
Daran muss ich denken, als ich den verwaisten Parkplatz vor dem Laden betrachte. Sein Ford scheint seit Tagen nicht bewegt worden zu sein. Um die Reifen haben sich hohe Blätterhaufen angesammelt, die im Morgenwind fast schon zärtlich mit dem porösen Gummi spielen.
Im Obergeschoss der Hütte, in dem Murphy damals mit Audrey lebte, und er jetzt allein in der geräumigen Wohnung dahinvegetiert, sind die Holzläden geschlossen. Sie wirken auf mich wie die blinden Augen eines Toten und verleihen der Hütte einen Eindruck von Verwahrlosung und Aufgabe.
Ich lasse den Pick-up am Straßenrand stehen, nehme das Gewehr und sehe mich nach allen Seiten um. Die Welt bleibt still, nichts bewegt sich. Als würde man eine farblose Fotografie betrachten.
Mit langsamen Schritten gehe ich die schmale Auffahrt zur Hütte hinunter. Über mir kann ich das Rauschen der Birken hören, als würden die Bäume verzweifelte Hilferufe in den Himmel schreien. Sonst folgt mir nur dieses unheimliche, zur neuen Welt gehörende Schweigen.
Als ich mich dem Haus nähere, versuche ich verzweifelt den Schwall an Erinnerungen zu unterdrücken, der aus jeder Ritze der Hütte zu sickern scheint. Ich konzentriere mein Augenmerk auf die geschlossenen Fenster der Wohnung. Das Haus macht einen verlassenen Eindruck. Nichts zeugt davon, dass die Räume Leben beherbergen.
Die Kälte und das Gewicht des Gewehrs in meinen
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