Graues Land (German Edition)
Sarah, wische ihren Mund ab, esse selbst ein wenig und wasche sie anschließend mit kaltem Wasser. Warmes Wasser gibt es nur über dem Holzofen in der Küche. Und dorthin bringen mich an diesem Tag keine zehn Pferde mehr.
IV
Etwas später liege ich neben Sarah und lausche ihrem leisen Schnarchen.
Das trübe Licht des Nachmittags ist verschwunden, das Fenster ein finsteres Loch.
Schlafen kann ich nicht.
Meine Hand liegt auf dem Kolben des Gewehres, das ich vor meiner Brust halte.
Irgendwann in der Nacht höre ich das Heulen der Kreaturen.
Sie sind wieder da.
Doch keine kommt mehr zum Haus.
Danny
I
Irgendwann muss ich doch eingeschlafen sein.
Als ich die Augen öffne, schwimmt das Zimmer in grauen Farben, als betrachte man die Welt durch eine unscharfe Brille. Erschrocken richte ich mich auf und verfluche mich, dass ich trotz der Bedrohung die Nacht über nicht wach geblieben bin und mich dem Luxus des Schlafes hingegeben habe, den ich mir im Moment nicht leisten kann.
Mein Blick fällt auf Sarah. Sie schläft, die Lippen wieder zu einer festen Linie zusammengekniffen. Von welchen Träumen wird sie wohl heimgesucht? Mit Sicherheit sind sie nicht so furchtbar, wie die Welt um sie herum.
Mit klopfendem Herzen stehe ich auf, wobei mir das Gewehr von der Brust rutscht und krachend zu Boden fällt. Sarah stöhnt kurz im Schlaf auf.
»Verdammt«, fluche ich leise, hebe die Waffe auf und sehe sie voller Abscheu an. Das Poltern erschien mir überlaut in der Stille des Hauses. Hat sich nun selbst das Gewehr gegen mich verschworen? Am liebsten würde ich es in die Ecke werfen. Stattdessen klemme ich den Schaft unter den Arm, nehme das leere Tablett vom Vorabend und gehe in den Flur hinaus.
Im Tageslicht, das sich wie grauer Nebel durch das Haus wälzt, wirkt alles weit weniger bedrohlich und fremd als am Abend zuvor. Keine Schatten auf der obersten Stufe der Treppe. Keine Geräusche, die mich jetzt plötzlich im Angesicht des erwachenden Tages an einen besonders intensiven Traum erinnern, der mich in der Nacht zu narren versucht hat. Das Krachen gegen die Küchentür hallt in meiner Erinnerung nach, ähnlich dem Hall fernen Donners. Doch merkwürdigerweise erscheint mir das Poltern, im Licht des Morgens betrachtet, weit weniger unheilschwanger als noch vor wenigen Stunden. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich nicht mehr die Kraft besitze, mir zu viele Gedanken darum zu machen.
Mir ist bewusst, dass ich, sobald ich mich zum Paria meiner Furcht mache, keinerlei Chancen mehr besitze, in dieser verrückten Welt zu überleben. Und wer sollte sich dann um Sarahs Wohlergehen kümmern?
Diese Tatsache, die mir so simpel und doch so erschreckend erscheint, ist vielleicht das einzig Verbliebene, das mich daran hindert, einfach zurück ins Schlafzimmer zu laufen und zu warten, bis erneut etwas gegen die Küchentür schlägt. Oder mir einfach den kalten Lauf der AYA unter das Kinn zu halten. Beides sind Optionen, die mir so verlockend erscheinen, dass ich ihnen nur schwerlich widerstehen kann.
Stattdessen gehe ich, wenn auch auf leisen Sohlen, hinunter ins Erdgeschoss, wobei ich die mittlere Stufe der Treppe gekonnt überspringe.
Keine unnötigen Geräusche.
Die Küche liegt in deprimierendem Grau. Keine Farben. Nichts Vertrautes.
Ein schmutziger, trostloser Schleier hängt in der Luft und verleiht dem Raum den Charme einer verblichenen Fotographie.
Ich habe den Eindruck, einen Blick in eine lange vergessene Vergangenheit zu werfen.
An der Tür bleibe ich stehen und versuche die Eindrücke der Küche, die ich zu erwarten glaube, alle auf einmal in mich aufzunehmen. Doch der Raum ist still und kalt.
Mein Blick fällt zu dem alten gusseisernen Holzofen, den Sarah so gerne zum Kochen benutzt hat, und den ich aus purer Sentimentalität nach ihrer Krankheit behalten habe, obwohl ich unsere Mahlzeiten lieber auf dem neumodischen Elektroherd zubereite. Wollte ich den Generator im Schuppen nicht anwerfen, würde ich den Ofen mit Holz befeuern müssen. Ich kann es Sarah unmöglich zumuten, ihre Mahlzeiten von nun an kalt einzunehmen.
Mit dem Gewehr im Anschlag gehe ich zur Tür, stelle mich seitlich von ihr auf und spähe vorsichtig durch das eingelassene viergeteilte Fenster. Schmutzige Schlieren ziehen sich quer über die Scheibe, als hätte jemand – etwas – mit der Hand oder einer schuppigen Klaue darübergewischt. Doch können diese ebenso gut von Wind und Regen herrühren.
Ich rüttele an der Tür und
Weitere Kostenlose Bücher