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Graues Land (German Edition)

Graues Land (German Edition)

Titel: Graues Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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geschenkt. Wir haben weiterhin auf die Wunder der Medizin vertraut. Demi hat sich mit Alicia anzufreunden versucht. Sie war ja nur ein paar Jahre jünger als das Mädchen. Aber auch sie konnte nicht zu ihr durchdringen. Alicia wiederholte nur immer wieder ihr Flehen, dass wir sie sterben lassen sollten. Immer wenn sie mich sah, streckte sie ihre Arme nach mir aus und forderte mich mit dieser tonlosen Stimme auf, sie zu erschießen.«
    Barry sieht mich lange an. Mit einem Blick, der mir verrät, dass vor mir ein Mensch sitzt, der lange schon seine Grenzen erreicht hat.
    »Wir hatten uns den Tod in unsere Gruppe geholt«, flüstert er als spräche er zu sich selbst. »Es war vor zwei Tagen, am frühen Morgen, als wir außer von den üblichen tobenden Geräuschen vor den Zäunen des Gebäudes von einem fürchterlichen Schreien geweckt wurden. Als wir aus unseren Zimmern kamen, fanden wir schnell heraus, woher der Tumult kam. Ich war der erste, der Marks Zimmer erreichte. Und was ich dort sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.«
    Er verstummt und blickt sehnsüchtig auf das leere Glas vor sich. Ohne ein Wort zu sagen, stehe ich auf, nehme seine Whiskeyflasche und schenke ihm ein. Barry nickt kurz. Dann greift er mit einer zitternden Hand nach dem Glas und trinkt es begierig zur Hälfte leer. Währenddessen schließt er seine Augen und scheint das Ausbreiten der Hitze in seinem Magen zu genießen. Ich setze mich wieder in meinen Sessel, betrachte Barry mit einer angespannten Ausdruckslosigkeit und spüre gleichzeitig, wie sich diese neue Welt – diese neue Wirklichkeit – nicht zuletzt durch Barrys Worte immer mehr um mich herum zusammenzieht. Geradeso, als versuchte sie meiner habhaft zu werden und mich unter ihrem dichten Leichentuch ersticken zu wollen. Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Und Barrys Erzählung würde diese Welt noch ein Stückchen weiter von der Realität entfernen. Wir werden zu teilnahmslosen Zuschauern in unserem eigen kreierten, grotesken Bühnenstück.
    »Mark lag blutüberströmt auf seinem Bett und Alicia beugte sich über ihn. Als sie mich bemerkte, wandte sie sich blitzschnell um und rannte mit einem animalischen Gebrüll auf mich zu. Dabei konnte ich Fleischfetzen zwischen ihren roten Lippen erkennen. Der Angriff kam völlig überraschend. So apathisch Alicia in den Tagen zuvor gewesen war, so schnell und von einer inneren Bestialität getrieben stürmte sie nun auf mich zu. Und sie hätte mir mit Sicherheit mühelos die Kehle zerfleischt, wenn mich Jerry nicht im letzten Moment zurückgerissen hätte. Wir stürzten beide auf den Korridor hinaus. Doch anstatt mich anzugreifen, warf sich Alicia auf Jerry und zerfetzte ihm mit wenigen Bissen den Magen, so dass ich seine Gedärme aus der Bauchdecke quellen sehen konnte. Jerry schrie aus Leibeskräften. Ich hatte noch nie einen Menschen so schreien gehört. Ich dachte an Tiere, die geschlachtet wurden, und starrte auf das Blutbad, das Alicia nun an dem jungen Mann anrichtete. Erst Beckys Kreischen riss mich aus meiner Starre. Ich wirbelte herum, stieß sie in ihr Zimmer zurück und schrie sie an, dass sie die Tür von innen verriegeln solle. Daraufhin rannte ich in unser Zimmer zurück – das Zimmer, in dem Shelley, Demi und ich lebten, nahm meine Waffe, die ich bis zu diesem Zeitpunkt noch bei keinem Lebewesen hatte einsetzen müssen, und wies meine Mädchen an, die Tür hinter mir zu verbarrikadieren. Ich rannte zurück auf den Flur, ohne darüber nachzudenken, was ich tat, oder was überhaupt vor sich ging. Ich agierte mechanisch und fühlte mich wie ein Roboter, dem nichts geschehen konnte. Mit meiner Waffe, die mir Sicherheit versprach, rannte ich zu Jerry zurück. Doch Alicia hatte längst von dem blutigen Bündel Mensch abgelassen und sich mit schier unmenschlichen Kräften Zugang zu Beckys Zimmer verschafft. Ich hörte das Mädchen kreischen, in ähnlich hohen und hysterischen Tönen wie kurz zuvor ihr Freund. Dazwischen erklang das tierische Gebrüll von Alicia. Sie klang hungrig und wie im Rausch. Noch bevor ich das Zimmer von Becky erreichte, wusste ich, dass jede Hilfe zu spät kommen würde. Ich hörte noch, wie das Mädchen einen einzelnen Schuss aus ihrer Waffe abfeuerte und die Kugel in den Türrahmen einschlug. Dann war da nur noch ein feuchtes Reißen und Schmatzen und das schrille Kreischen von Becky, das binnen von Sekunden erstarb. Als ich das Zimmer erreicht hatte, konnte ich nur Alicias Rücken erkennen, die

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