Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
das Wetter hält, zum Aggenstein raufgehen«, erklärte sie.
Häberle
bedankte sich höflich, worauf sich er und sein Kollege Grantner erhoben. »Eine
letzte Frage«, brummte der Göppinger Chefermittler, als interessiere ihn dies
nur am Rande. »Wo verbringt man denn in Ihren Kreisen den 21. Dezember?«
Jensen
verzog als Erster sein Gesicht zu einem verkrampften Lächeln. »Ist das jetzt
ernst gemeint oder wollen Sie uns auf den Arm nehmen?«
»Fassen
Sie es einfach als eine informatorische Frage auf. Wertneutral, ohne jeglichen
Hintergedanken.«
»Wissen
Sie«, entgegnete Jensen ruhig, »falls ein irgendwie gearteter Weltuntergang
ansteht, ist es völlig egal, wo Sie sich aufhalten. Es wird danach nichts mehr
geben – niemanden, der sich Gedanken darüber machen kann, wo wer zu
diesem Zeitpunkt gewesen ist. Realistisch gesehen, wird vermutlich an diesem
21. Dezember aber gar nichts passieren. Jedenfalls scheint kein Komet oder
Asteroid im Anflug zu sein. Noch nicht. Das mag in 17 Jahren anders aussehen, wenn
wirklich ein größerer Himmelskörper unserer Erde ziemlich nahe kommt, wie die
Astronomen berechnet haben. Aber dass es gewisse Zeichen gibt, die uns alle
nachdenklich stimmen müssen, kann nicht bestritten werden. «
Falkenstein
sah sich erneut zu einer Erklärung genötigt: »Er meint die Offenbarung, die
Apokalypse in der Bibel. Das Buch mit den sieben Siegeln, die Engel mit den
sieben Posaunen und die sieben Schalen der Tränen. «
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Linkohr hatte sich gedanklich
bereits auf einen Abend mit Nena eingestellt, weshalb ihm ein Anruf von
Professor Dr. Walter Siegler nicht gerade gelegen gekommen war. Aber der
Hinweis, um den es ging, duldete keinen Aufschub. Nach Häberles gestrigem
Besuch hatte Siegler einige Professoren angerufen und sich diskret nach Professorin
Platterstein erkundigt, die am Institut für Automobilwirtschaft tätig war.
Allerdings war selbst jenen, die am engsten mit ihr zusammenarbeiteten, über
ihr Privatleben so gut wie gar nichts bekannt. Allgemein wusste man nur, dass
sie gern ausgedehnte Gebirgswanderungen unternahm. Lediglich ein Kollege konnte
mehr dazu beitragen. Sie beschäftige sich mit ›dubiosen Heilsbringern und
Verschwörungstheoretikern‹, habe sie einmal gesagt und ihm sogar die Kopien
einiger Schreiben vorgelegt. Der Kollege war bereit gewesen, trotz
sonntäglicher Freizeit in die Hochschule zu fahren, und besagte Papiere aus
seinem Büro zu holen. Siegler hielt sie im Gespräch mit Linkohr in den Händen.
»Der Kollege«, meinte er süffisant, »ist Gott sei Dank ein Sammler. Manche
würden es auch als mangelnde Fähigkeit bezeichnen, Ordnung auf dem Schreibtisch
zu halten. Aber der Herr Kollege hat aus seinen Papierbergen mit einem einzigen
gezielten Griff herausgezogen, was er gesucht hat.« Sein gerolltes fränkisches
»R« und seine betont ausgesprochenen Worte verstärkten noch die Ironie dieser
Feststellung.
Linkohr war in das helle Wohnzimmer des Hochschul-Chefs
gebeten worden und hatte sich in einen weißen Ledersessel gesetzt, während
Siegler ihm die angesprochenen Dokumente auf die Glasplatte des Couchtisches
legte. »Ich glaube, wenn es Ihnen gelänge, die Frau Platterstein aufzutreiben,
wäre sie eine gute Informationsquelle.« Er setzte sich und hob dabei seinen
rechten Zeigefinger, um dem Gesagten noch mehr Bedeutung zu verschaffen. »Vorausgesetzt,
sie will überhaupt mit Ihnen reden. Denn wenn sie gewollt hätte, dass die
Polizei eingeschaltet wird, wären Sie vermutlich längst damit konfrontiert
worden.«
Linkohr
überflog die beiden Kopien. Die erste war mit einem kitschigen Briefkopf
verziert, der einen Engel darstellte, der sich an ein Kreuz lehnte. Im
Anschriften-Feld las Linkohr den Namen Irene Rattinger und ihren Wohnort
Wernau. Linkohr erinnerte sich an sein gestriges Gespräch mit den Göppinger
Klinik-Chefs. Rattinger war der Name jener betagten Dame, die offenbar am
Krankenbett die teuren Dienste einer Geistheilerin in Anspruch genommen hatte.
»Sehr
geehrte Frau Rattinger« , las Linkohr, »die Engel des Herrn sind
allezeit bei uns. Sie behüten und beschützen uns auf all unseren Wegen und sie
lassen uns auch in schweren Zeiten nicht im Stich. Sie können Wunder bewirken,
wenn wir bereit sind, ihre Hilfe anzunehmen. Doch manchmal fällt es uns schwer,
unser Herz und unsere Seele für sie zu öffnen. Zum Glück gibt es aber
spirituelle Menschen, die den Kontakt zwischen der Geistwelt und uns Menschen
vermitteln. Nehmen
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