Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
auch Sie diese einzigartige Chance wahr, mit Ihren
Schutzengeln direkt in Kontakt zu treten. Wir vermitteln Ihnen gerne Menschen,
die dazu in der Lage sind. Rufen Sie uns einfach an .« Es folgte eine dieser
teuren 0900-Service-Nummern.
»Ganz
schön dreist, gell«, kommentierte Siegler, nachdem Linkohr den Text gelesen
hatte. Als Absender war eine Postbox-Nummer in Luxemburg angegeben, über die
angeblich ein ›Schutzengel-Notdienst‹ zu erreichen war.
»Frau
Platterstein hat anscheinend nachgeforscht, wer dahinter steckt«, berichtete
Siegler aus seinen Recherchen bei den Kollegen. »Dieser Schutzengel-Notdienst,
der diese Postbox angemietet hat, sitzt wohl in Brüssel.« Während sich Linkohr
bereits dem zweiten Blatt zuwandte, fragte der Hochschul-Chef: »Sie wissen, wer
Irene Rattinger ist?«
Linkohr
nickte. »Der Name ist uns bereits bekannt, ja.«
Die
zweite Kopie war nicht minder seltsam. Dass sie vom selben Verfasser stammte,
ergab sich aus der Absender-Adresse, die auf die gleiche Postbox-Nummer in
Luxemburg lautete. Nur die Firma nannte sich anders: ›SOS-Seelenrettung‹. So
stand’s auch im Briefkopf, der eine brennende Weltkugel mit der Aufschrift ›21.
Dezember 2012 – Apokalypse‹ zeigte. Adressiert ebenfalls an Irene Rattinger in
Wernau.
»Sehr
geehrte Frau Rattinger«, las Linkohr, »die Offenbarung aus dem
Neuen Testament geht ihrer Erfüllung entgegen. Am 21. Dezember 2012 endet
unsere Zeit. Diese Erkenntnis verdanken wir dem klugen Volk der Mayas, das in
Mittelamerika (heute Mexiko) vor Hunderten von Jahren prophetische Kenntnisse
über Himmel und Erde hatte und zu Ehren der Götter prachtvolle Bauten
errichtete. Diese Mayas haben uns einen verlässlichen Kalender hinterlassen,
der am 21. Dezember 2012 endet. Danach gibt es nichts mehr.
Wir,
die wir in dieser Endzeit leben, haben also das Glück, uns auf das Kommende
einzustellen und unsere Seelen von all dem zu reinigen, was des Teufels ist:
Von Macht und Gier, von dem Streben nach Reichtum, Besitztümern und Bargeld.
Jesus Christus hat uns bereits gelehrt, in Armut und Demut anderen zu dienen.
Tun auch Sie dies in den letzten Tagen der Welt. Trennen Sie sich von allem,
was Ihre Seele an diesem Jüngsten Tag belastet. Die ›SOS-Seelenrettung‹ wurde
von christlich denkenden Menschen eingerichtet und möchte dazu beitragen, Sie
spirituell auf den großen Tag des Übergangs in das ewige Leben vorzubereiten.
Sie können all das, was Sie an Irdischem angehäuft haben – vor
allem, wenn es unehrlich oder halb legal erworben wurde und deshalb mit
schmutzigem Tun behaftet ist – an
unsere Einrichtung abführen. Der ewige Gott wird Sie dafür beschützen und
belohnen. Sie brauchen keine Angst zu haben, dass Ihr Geld in falsche Hände
gerät. Es wird Ihnen lediglich die Seelenlast genommen, damit Sie in Gottes
Frieden dem Erlöser entgegen treten können. Nach dem 21. Dezember braucht
niemand mehr Geld.
Damit
Ihr fester Wille zum Ausdruck kommt, sich von allem zu lösen, was Sie ans
Irdische bindet, dürfen Sie keine Überweisung vornehmen. Bezahlen Sie das,
wovon Sie sich befreien möchten, bar an die SOS-Seelenrettung bei der Western
Union Bank, Konto Nummer … .« Linkohr legte das Papier fassungslos beiseite. »Man könnte meinen, es handle
sich um einen üblen Aprilscherz.«
»Ich
hab natürlich mein Schärflein schon einbezahlt«, grinste Siegler. »So eine Art
Ablass-Zahlung, über die sich schon Luther aufgeregt hat: Gib mir Geld, und ich
erlass dir die Sünden.«
»Und
ich wette mit Ihnen«, entgegnete Linkohr, »da fallen jede Menge ältere Leute drauf
rein.«
»Die
Ganoven haben das doch hunderttausendfach verschickt. Wenn nur ein Bruchteil
der Angeschriebenen was zahlt, schwimmen diese Banditen im Geld.«
»Und
natürlich Western Union«, zeigte sich Linkohr informiert. »Anonymes
Geldversenden auf die ganze Welt. Der Empfänger kann mit einem Kennwort für
sein Konto ›Seelenrettung‹ bei jeder Western Union das Geld cash holen. Auch in
Zentralsibirien, wenn’s sein muss.«
Siegler zog seine Stirn in tiefe Falten. »Sie sollten
das jetzt aber vertraulich behandeln, denn ich möchte der Frau Platterstein
keinesfalls vorgreifen. Aber nachdem sie übers Wochenende wohl nicht erreichbar
ist – auch ich hab versucht, sie über einige
Ecken ausfindig zu machen – hab ich gedacht, es könnte Ihnen vielleicht
weiterhelfen. Ihr Chef interessiert sich doch augenscheinlich sehr für die Frau
Platterstein.«
»Gibt’s
denn
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