Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
er mit Formulierungen und
Buchstaben kämpfte, schreckte ihn das schrille Klingeln des Telefons auf. Er
hasste es, in solchen Momenten gestört zu werden. Doch die Frauenstimme, die
sich mit ›Landau‹ meldete, war dazu angetan, seine aufkommende Wut zu dämpfen,
wie sie der Stress und das eigene Unvermögen, schnell eine Überschrift formulieren
zu können, hatte aufsteigen lassen.
»Mir
ist da noch was eingefallen. Vielleicht interessiert es Sie. Aber nach unserer
netten Unterhaltung von heute Nachmittag, möchte ich es Ihnen sagen – aber
wirklich ganz vertraulich.«
»Aber
garantiert«, versprach der Journalist, der mit einem Schlag wieder voll
aufnahmefähig war. Schließlich kam ein Fall wie dieser nur alle paar Jahrzehnte
in der Provinz vor.
»Mir
ist das erst eingefallen, nachdem Sie weg waren. Ich hab’s auch noch nicht
diesem Kriminalisten gesagt – sollte ich vielleicht morgen
noch tun.«
Sander
fühlte sich geschmeichelt, dass er offenbar einen vertrauenerweckenden Eindruck
hinterlassen hatte. »Aber wir können ja drüber reden«, gab er sich vornehm
zurückhaltend. Er hatte gelernt, nicht gleich großes Interesse zu zeigen. Das
machte misstrauisch, falls der Gesprächspartner befürchtete, selbst in die
Schlagzeilen zu geraten.
»Als
die Frau Platterstein – Sie wissen: diese Professorin, von der wir gesprochen haben – als
die den Keller erstmals besichtigt hat, da haben wir uns lang über so
übersinnliche Dinge unterhalten.« Sie zögerte. »Na ja, auch über den
Weltuntergang, der aus dem Maya-Kalender abgeleitet wird. Da hat die Frau
Platterstein gesagt, es gebe sehr viel Lug und Trug – gerade, was unerklärliche Phänomene anbelange.«
Sander
wurde nervös und malte Kringel aufs Papier. Denn dieses Thema hatten sie heute
Nachmittag bereits abgehandelt. Nun wurde es Zeit, dass sie zur Sache kam und
Neues berichtete. Aber er wollte sie nicht drängen.
Schließlich
rang sie sich durch, ihm ihr Anliegen vorzutragen. »Jedenfalls hat die Frau
Platterstein auch erzählt, sie sei einem großen Betrüger auf der Spur, der
nicht nur mit den Ängsten der Menschen spiele, sondern in großem Stil
Finanzwetten abschließe, wie dies die Banken doch heutzutage täten. Außerdem
würden Unsummen kassiert, wenn landauf, landab todkranke Menschen von
sogenannten Geistheilern aufgesucht würden.«
Sander
schluckte trocken. Er kombinierte in Gedanken, was dies für den jetzigen Fall
bedeuten konnte. Noch bevor er etwas sagen konnte, hörte er Frau Landaus
Stimme: »Frau Platterstein hat sinngemäß gesagt, sie habe ihm eine Falle
gestellt.«
»Eine
Falle? Ihm?«, wiederholte Sander ungläubig so laut, dass Redaktionsleiter Kauz
auf der anderen Seite der Schreibtisch-Gruppe aufhorchte und das Gesicht unterm
Dreitagebart ausnahmsweise ein Grinsen andeutete.
»Wie
muss man das verstehen – eine Falle?«, fragte Sander mit gedämpfter Stimme zurück. Er
wollte die anderen Kollegen hinter den brusthohen Aktenschränken nicht auch
noch neugierig machen.
»Weiß
ich nicht«, sagte Frau Landau. »Ich war an dem Tag in Eile. Deshalb hab ich’s
wohl auch verdrängt.« Die Anruferin zögerte erneut. »Frau Platterstein wollte
anscheinend nicht alles an die große Glocke hängen. Ich hatte aber den
Eindruck, sie würde den Rektor Siegler einweihen wollen.«
Siegler.
Dieser Hinweis half nicht weiter – zumindest nicht mehr jetzt, am Dienstagabend, wenn Siegler ohnehin nicht
erreichbar war.
»Ich
muss Ihnen noch eines sagen«, fuhr die Floristin fort, nachdem Sander keine
allzu große Reaktion gezeigt hatte. »Mir wäre es sehr recht, wenn Sie mich in
Ihrem Artikel namentlich nicht nennen würden.«
Sanders
Pulsschlag beschleunigte sich. Nicht jetzt, dachte er. Bitte jetzt keinen
Rückzieher. Er würde seinen ganzen Artikel umschreiben müssen. Es wäre nicht
das erste Mal, dass ein mittags gesprächiger Informant im Laufe des Abends
kalte Füße kriegte und darum bat, seinen Namen nicht zu veröffentlichen. Aber
die Fairness gebot es, solchen Wünschen zu entsprechen, sofern es die Zeit bis
zum Redaktionsschluss noch zuließ.
»Geht
das?«, fragte sie schnell. »Wissen Sie, Herr Sander, ich will da in nichts
hineingezogen werden.« Sie wartete offenbar auf eine Antwort, doch Sander blieb
stumm. »Ich möchte Sie dringend ersuchen, meinen Namen rauszuhalten«, wurde sie
etwas energischer. »Um es deutlich zu sagen, Herr Sander: Ich habe Angst. Ganz
große Angst.«
95
Der
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