Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
war damit dem Dröhnen
der Schläge deutlich näher gekommen. Er brauchte kein Licht, um sich zu
orientieren. Er kannte hier jede Stufe, jedes Hindernis, sodass er sich in der
absoluten Dunkelheit vortasten konnte und lediglich darauf achten musste, mit
dem Besen nicht anzustoßen und damit unnötige Geräusche zu verursachen.
Ein
weiterer Schlag drang jetzt deutlich hörbar aus der Tiefe herauf. Der Schall
kam aus dem verliesartigen Schacht, der knapp brusthoch ummauert war und auf
dem ein stabiler Gitterrost lag. Er beugte sich darüber, um vorsichtig
hinabsehen zu können. Tief unten zeichnete sich das Ende des viereckigen
Schachts ab. Dies war nur möglich, weil einer dieser Gewölbekeller schwach
beleuchtet war. Dort brannte zweifellos Licht.
Mit ein
paar Schritten erreichte er die Treppe, die neben dem Schacht abwärts führte.
Hier dröhnten ihm die Schläge noch heftiger und dumpfer entgegen. Es bestand
kein Zweifel mehr, dass dort unten jemand mit Hammer und Meißel hantierte. Die
feucht-modrige Luft hatte sich bereits mit Staub vermischt. Mauerwerk bröselte,
jemand atmete schwer. Ein weiterer Hammerschlag. Moritz Landau schwitzte,
zitterte und spürte seinen Herzschlag in allen Gliedern. Noch konnte er
umkehren, abbrechen, auf die Polizei warten und die Gefahrenzone verlassen.
Doch etwas in ihm machte ihn zornig – aber
auch neugierig. Egal, wer da unten arbeitete. Es musste ein Besessener sein,
jemand, der felsenfest davon überzeugt war, dass seine Schläge gegen das
Gewölbe nicht auf den oben drauf gemauerten und wesentlich jüngeren Teil des
Gebäudes übertragen würden.
Schritt
für Schritt schlich Moritz Landau näher und konnte bereits den schwachen
Lichtschein erkennen, der aus dem tiefen Kellergewölbe zum Treppenbereich
herausschimmerte. Nun waren es nur noch ein paar Tritte, um mit einem
Überraschungsangriff diese Person am Kragen zu packen oder ihr mit dem
Besenstiel eine überzuziehen. Seine Kräfte, die er in diesem Zustand
mobilisieren würde, wären vermutlich ums Vielfache stärker als im Normalfall.
Er war entschlossen, gnadenlos zuzuschlagen – ohne
Rücksicht darauf, was die Juristen später daraus machen würden. In seinem Haus
hatte kein ungebetener Gast etwas zu suchen, schon gar nicht in der Nacht und
erst recht nicht hier unten im Keller.
Noch
während er dastand, einem weiteren Schlag lauschte und beim Atmen gegen den
Staub ankämpfte, ein Husten unterdrückte und sich den Schweiß aus den
brennenden Augen wischte, hallte von oben ein furchterregender Schlag an sein
Ohr. Holz krachte, irgendetwas explodierte. Gleichzeitig erlosch vor ihm das
diffuse Licht, und es kehrte bedrohliche Stille ein.
Moritz
Landau drückte sich gegen die kalte Wand, hielt den Atem an und war mit allen
Sinnen auf das Schlimmste gefasst. Es schien ihm, als hörte er von oben
Schritte. Viele Schritte. Oder war das eine Täuschung? Kam das von vorn? Ja,
auch von vorn, wo bis vor wenigen Sekunden noch ein Lichtschimmer gewesen war,
schien sich etwas auf ihn zu zu bewegen. Er drückte sich noch fester gegen die
Wand. Er atmete nur flach, bewegte sich nicht, um mit dem Stoff seines
Bademantels keine Geräusche zu verursachen. Und schon glaubte er, den warmen
Atem von jemandem zu spüren, der sich ganz nah bei ihm befand. Gleich würde es
zu der Berührung kommen. Immerhin hatte er dabei den Vorteil, darauf gefasst zu
sein, schoss es ihm durch den Kopf. Die andere Person hingegen würde zutiefst
erschrecken, ohne Vorwarnung plötzlich auf jemanden zu stoßen. Er überlegte, ob
er sich nicht mit einem kräftigen Fußtritt nach vorn diesen Überraschungseffekt
zunutze machen sollte.
Was
aber, wenn er daneben trat? Ins Leere?
Und was
war das oben für ein Geräusch gewesen? War Birgit über etwas gestolpert? War
sie in Gefahr? War sie verletzt? Waren womöglich weitere Personen im Haus?
Was, wenn die Person, die jetzt direkt auf ihn zukam und
dicht vor ihm stand, ein Messer hatte. Oder eine andere Waffe? Wer so dreist
war, mitten in der Nacht in einem fremden Haus zu hämmern, hatte bestimmt keine
Skrupel.
Er hatte das Bedürfnis, tief einzuatmen. Wenn er noch
länger den Atem anhielt, würde er ersticken oder durch einen Herzschlag tot
umfallen. Sein rasendes Herz brauchte Sauerstoff. Er würde es keine 20 Sekunden
mehr aushalten.
Die Zeit schien sich ins Unendliche zu dehnen. Wo war
denn Hilfe, verdammt noch mal? Birgit hatte doch versprochen, die Polizei zu
rufen. Aber seither waren maximal drei
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