Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
flüsterte sie. Ihr Körper zitterte. Ein dritter Schlag – zwar
nur dumpf, aber kräftig genug, dass er sich durchs gesamte Mauerwerk übertrug.
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Linkohr und Nena hatten im
chinesischen Restaurant einen sichtlich schockierten Siegler zurückgelassen.
Nach einem kurzen Telefonat mit Häberle war der Jungkriminalist mit seiner
Freundin zum nahegelegenen Tatort gefahren. Dort stellte er Nena halb ironisch,
halb ernst gemeint als seine ›verdeckte Ermittlerin‹ vor und wurde mit ihr zu
Häberle vorgelassen. Der Chefermittler war erfreut, Linkohrs Schwarm kennenzulernen,
und erläuterte kurz, was ihm der Ravensburger Kollege erklärt hatte. »Wir haben
jetzt die siebte Posaune«, beendete er die Schilderungen, während der sie sich
auf festen Waldboden zurückgezogen hatten.
»Und
welche Schlüsse ziehen wir daraus?«
»Dass der
oder die Täter offenbar zum großen Showdown übergegangen sind – sozusagen zu ihrem ureigensten Weltuntergang, den sie selbst inszenieren
wollten.«
»Aber das klingt doch nach Psychopathen, oder nicht?«
Häberle
nickte. Er knöpfte sich seine Jacke bis oben zu. »Zumindest nach jemandem, der
Angst und Schrecken verbreiten will. Die Professorin, die das vorläufig letzte
Opfer ist, hat uns aber wohl jede Menge Material hinterlassen.«
»Besser
wär’s gewesen, wenn sie einen von uns zu ihrem ›Abschlussgespräch‹ eingeladen
hätte anstatt dieses Hochschul-Rektors.«
Häberle
überlegte kurz, was dies zu bedeuten hatte. »Dass der sich ausgerechnet heute
Abend in Waldsee rumtreibt, macht mich allerdings ein bisschen stutzig. Sie
nicht?«
»Na
ja«, meinte Linkohr, »das war ganz clever von ihr eingefädelt. Ihren Chef und
ursprünglich auch ihre Schwägerin Karin Waghäusl wollte sie als neutrale
Personen bei einem Gespräch dabei haben, zu dem sie jemanden gebeten hatte, der
ihr schon lang suspekt war.«
»Also
nicht nur den Siegler, sondern noch eine dritte Person?«, staunte Häberle.
»So hat
es mir Siegler geschildert, nachdem die Nachricht von ihrem Tod vorlag. Sie
habe jemanden nach Bad Waldsee in dieses chinesische Restaurant bestellt, um
mit dieser Person ›unter Zeugen‹, wie sie sich ausgedrückt haben soll,
abzurechnen«, erklärte Linkohr, was Nena mit mehrfachem Kopfnicken bestätigte.
»Sie habe dieser Person sogar erfolgreich eine ›Falle‹ gestellt.«
»Und
wer war das – Mann, machen Sie’s nicht so spannend«, drängte Häberle.
Linkohr
zuckte mit den Schultern. »Weiß er nicht. Nicht mal, ob Mann oder Frau.«
»Wie?
Das weiß der Siegler nicht? Der fährt einfach nach Bad Waldsee und fragt nicht,
wobei er Zeuge sein sollte? Oder mit wem er’s zu tun kriegen würde? «
»Extra
hingefahren ist er nicht. Er kam von einem Kongress aus Ravensburg-Weingarten.
Und der Treffpunkt Bad Waldsee lag nahe, weil die Platterstein dorthin, wie wir
wissen, gewisse – na, sagen wir mal – familiäre Beziehungen über
ihren Ex-Mann hat und sie außerdem auf der Heimfahrt war.«
»Sie
wollen mir also allen Ernstes weismachen, der Siegler lässt sich zu so einem
Blind Date bestellen?«, hakte Häberle leicht verstimmt nach, obwohl er dem
Professor durchaus zutraute, sich auf so etwas einzulassen. »Ich kann nur
wiedergeben, was er mir gesagt hat, Chef.«
Häberle
lehnte sich an einen dicken Baum. »Da hat die Platterstein also jemanden in die
Enge getrieben, weil sie ihm – oder ihr – dubiose Machenschaften nachgewiesen hat. Dieser oder diese wiederum hat das
offenbar bemerkt und sich ihrer entledigt – wie er
oder sie dies wohl über Jahre hinweg auch mit anderen getan hat, die ihm oder
ihr zu nahe gekommen sind. Und zum Zeichen, wie ernst es gemeint ist, hat er
oder sie sich eines Zeichens bedient, das die Gruppe, der er oder sie selbst
angehört, als Symbol für den Weltuntergang sieht – eine
Posaune aus der biblischen Apokalypse.«
Linkohr
verfolgte Häberles Schlussfolgerungen gespannt. Auch Nena hing fasziniert und
gleichermaßen schaudernd an seinen Lippen.
»Aber
dazu muss doch die Person über alles informiert gewesen sein«, wandte Linkohr
ein.
»Dazu
bedarf es nicht viel«, deutete Häberle mit leicht spöttischem Grinsen an.
»Manchmal gibt es ganz einfache Mittel und Wege, sich ins Vertrauen von
jemandem einzuschleichen.« Er zwinkerte seinem jungen Kollegen zu, ohne dass
Nena es merkte.
Linkohr
verzichtete auf eine Bemerkung. Stattdessen blieb er sachlich: »Folgt man den
Erkenntnissen, die die Ravensburger Kollegen aus
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