Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
worauf
zumindest ihre Kleidung hindeutete – , hätte
sie einen Rucksack und Geld, aber auch irgendwelche Dokumente, wie etwa
Führerschein und Liftticket dabei haben müssen.
»Und da
gibt es noch etwas, das merkwürdig ist.« Der Arzt griff zu einem kleinen
Objekt, das er auf dem Schreibtisch liegen hatte. »Es gab zwar, wie ich bereits
sagte, keinen Körperschmuck, aber in der Kleidung der Toten fanden wir dies.«
Er
hielt etwas zwischen Daumen und Zeigefinger, das metallisch glänzte.
»Was
ist das?«, fragte der Beamte, stand auf und ging die paar Schritte auf den
Schreibtisch des Arztes zu.
»Es hat eine Öse und müsste an einer Kette gehangen
sein«, erklärte der Doktor. »Und es könnte eine Posaune sein.«
18
Sie hatten sich in die Hütte
zurückgezogen. Doch das zünftige Tiroler Frühstück, das es heute verspätet gab
und das normalerweise Josefinas ganzer Stolz war, wollte diesmal nicht so recht
munden. Obwohl sie sich gegenseitig zu beruhigen versuchten, dass es gewiss
auch eine ganz einfache Erklärung für Karins Fernbleiben geben würde, drehte
sich das Gespräch nur um sie. »Ich glaube«, unternahm Jensen einen neuerlichen
Anlauf, die finsteren Szenarien einzudämmen, »es wäre ganz gut, wenn unser
Freund Christoph auch schon da wäre.«
»Christoph
kommt morgen«, erklärte Josefina schnell, als sei ihr dieser Hinweis lästig.
»Willst du damit sagen, dass wir geistlichen Beistand brauchen?«
»Oh
nein, Josy, versteh’ mich bitte nicht falsch.« Jensen spürte, dass seine
Bemerkung das Gegenteil dessen ausgelöst hatte, was beabsichtigt war. »Aber
Christoph könnte uns als erfahrener Theologe in einer solchen Situation
vielleicht aufmuntern.«
Mullinger, dem Speck, Spiegelei und Bratkartoffeln
besonders gut schmeckten, hatte beschlossen, sich in dieser angespannten
Atmosphäre vorläufig zurückzuhalten, wagte jetzt aber trotzdem einen Vorstoß:
»Und wie wär’s, wenn wir den Versuch unternähmen, Karin doch mal auf ihrem
Handy anzurufen?« Er hatte in den vergangenen Minuten den Eindruck gewonnen,
als scheuten sie alle diesen Schritt, weil damit möglicherweise das
Unumkehrbare zur Realität wurde.
»Das
hielte ich auch für geboten«, unterstützte ihn Jensen, der sich Bratkartoffeln
aus der Pfanne auf seinen Teller streifte. »Karin wird’s uns nicht übel nehmen,
wenn wir uns jetzt, um die Mittagszeit, mal nach ihr erkundigen.«
»Denke
ich auch«, meinte Aleen und warf Jensen einen nervösen Seitenblick zu. Sie
zögerte kurz, um dann Josefina direkt anzusprechen: »Wieso zögerst du
eigentlich? Was hält dich davon ab, sie anzurufen? Du brauchst doch nur ein
Stück den Hang raufzugehen, da gibt’s ein Funknetz.« Josefina legte beinahe
theatralisch ihr Essbesteck weg. »Wir haben doch irgendwann mal g’sagt, dass
sich keiner in die Angelegenheiten der andern einmischt.« Immer, wenn sie sich
aufregte, wurde ihr Tiroler Dialekt besonders hörbar. »Und dass die Karin
sensibel ist, wiss’ mr doch alle. Sie fühlt sich beobachtet und getrieb’n. Und
sie sieht in allem, was g’schieht, ein Zeich’n des Himmels. Das ist zwar net
schlecht, aber wenn’s krankhaft wird – das
wiss’n wir alle – , dann kann das auch g’fährlich werd’n. Gerade deshalb wollte ich
mit ihr und euch drüber red’n.«
Jensen
holte tief Luft. Obwohl sie sich bei gewissen Themen in Harmonie vereint
fühlten, gab es genügend Reibungspunkte. Einer davon war die Frage, wie mit persönlichen
Problemen umgegangen werden sollte. Einige Male hatte es deshalb bei solchen
Bergwochenenden schon Spannungen gegeben, die aber von allen als normal und
sogar als erfrischend empfunden worden waren. Schließlich berührten ihre
Interessensgebiete auch die zwischenmenschlichen Beziehungen – wenn
es beispielsweise darum ging, ob emotionale Bindungen auch über Zeit und Raum
hinweg zu spüren seien. Gerade Jensen vertrat dabei stets die Meinung, dass es
Orte mit positiver und negativer Ausstrahlung gab. Dort, wo sich immer Menschen
mit guten Gedanken träfen, bleibe die entstandene Energie erhalten. Wohingegen
schlechte Gedanken eine unangenehme Atmosphäre hinterließen. Bei vielen
Konferenzen habe er dies überall auf der Welt festgestellt. Er behauptete,
bereits beim Betreten eines leeren Saales diese positiven oder negativen
Energien spüren zu können.
Josefinas
Weltbild jedoch orientierte sich streng am christlichen Glauben. Natürlich gab
es für sie heilige Orte, aber sie tat sich mit der
Weitere Kostenlose Bücher