Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
hier oben rumläuft!«
Beinahe
hätte auch Mullinger etwas gesagt, doch Jensen ließ ihn gar nicht erst zu Wort
kommen. Der Ex-Banker griff wieder zu seinem Smartphone, um fortzusetzen, wobei
er unterbrochen worden war.
»Hochsteinhof«,
sagte er zu sich selbst. Er wollte sich die Nummer aus dem Internet holen,
weshalb er das gesperrte weil teure Auslands-Datenroaming aktivierte. Dann
jedoch wurde ihm bewusst, dass dies ohne Funknetz nicht ging. »Ich geh auch mal
da hoch«, sagte er und verließ den Raum, um über den sonnenbeschienenen
Wiesenhang jene Stelle zu erklimmen, die sie alle kannten.
Wortlos tippte er auf dem kleinen Display den Namen in
die automatische Telefonauskunft des Internets, um sogleich per Fingerklick auf
das Touchscreen-Display die Rufnummer anwählen zu lassen. Augenblicke später
wurde er von einer freundlichen Dame der Hotel-Zentrale wunschgemäß zu Larissa
weiterverbunden, die mit Nachnamen Pladler hieß.
Jensen
stellte sich als Bekannter ihrer Mutter vor, erwähnte das traditionelle
Berghüttentreffen und stellte behutsam die Frage, ob ihre Mutter auch
heraufkommen wolle.
»Ja,
aber natürlich«, antwortete die Frau hörbar verunsichert. »Ist sie denn nicht
oben?«
Jensen
hielt kurz inne. »Bis jetzt noch nicht.« Dann fügte er rasch an, als wolle er
Larissa nicht beunruhigen: »Aber dann wird sie sicher noch kommen.«
»Mutti
ist nicht da?«, vergewisserte sich die Stimme im Telefon jetzt aber deutlich
aufgeregter. »Sie hat mich heut’ früh angerufen, dass sie angekommen sei. Vom
Parkplatz bei der Seilbahn aus. Sie wollte zu euch hochfahren und … « Die
Frau brach ab.
Jensen
zögerte. »Hallo, sind Sie noch da?«
Ein
Klicken in der Leitung verriet ihm, dass Larissa aufgelegt hatte.
19
Robert Fischer hatte sich eine
leichte Joggingjacke übers dünne T-Shirt gestreift, um dann aus dem Wohnwagen
zu steigen. In der Nachrichtensendung von ›Radio Tirol‹ war die Meldung
verbreitet worden, dass am Vormittag in einer Gondel der Neunerköpfle-Bahn eine
unbekannte Tote aufgefunden worden sei. Es hatte ihn wie ein Donnerschlag
getroffen. Tot, klang es in seinem Kopf unablässig nach. Tot. Seine Frau Renate
hatte die Schreckensvision ausgesprochen: Eine unbekannte Tote – das
würde nichts Gutes bedeuten. Es ließ darauf schließen, dass sie allein
unterwegs war. Doch er wollte nichts dazu sagen. Er spürte ein beklemmendes
Gefühl in der Magengegend. Die Begegnung, die er am Vormittag an der Talstation
hatte, war plötzlich wie ein Albtraum in ihm aufgeflammt.
Er
spürte das Bedürfnis, mit seinem an Jahren jüngeren Freund Uwe Astor darüber
reden zu müssen. Mit ein paar Schritten hatte er dessen großen luxuriösen
Wohnwagen erreicht, in dem Astor meist während der Sommermonate lebte – bisweilen auch gemeinsam mit einer Freundin. Fischer klopfte neben dem
ausgebleichten Vorzelt an die Wand des weiß-gelb-gestreiften Wohnwagens, worauf
sich im Innern sofort etwas rührte. Gleich darauf wurde der Reißverschluss des
Vorzeltes aufgezogen und Astor, ein kräftiger Mittfünfziger mit fülligem
blondem Haar und einer gesunden Gesichtsfarbe stand strahlend vor ihm. Er
schlug seinem Freund kumpelhaft auf die Schulter. »Mittagsschlaf vorbei?«
Doch
als keine Reaktion kam, wurde Astor ernst. »Ist was?« Aus seinem Gesicht wich
die Farbe.
»Hast du Nachrichten gehört?«, fragte Fischer betroffen.
Astor
kniff die Augen zusammen, weil ihn die Sonne blendete. »Ne, warum? Ich sitz
hier drin und arbeite.«
»Man
hat eine Frau tot in der Seilbahn gefunden.«
»Wie?«
Astor wischte sich durchs Haar und bat seinen Freund durchs unaufgeräumte
Vorzelt in den Wagen. Im Innern sah es nicht viel besser aus – eben genauso,
wie Fischer es seit Langem kannte: auf dem Tisch zwei Laptops, jede Menge Akten
und einige Kabel, die sich irgendwo unterm Tisch verloren. Aus dem Papierstapel
ragte eine große Tasse Kaffee heraus, deren restlicher Inhalt eingetrocknet war.
Das Doppelbett am Heck des Wagens erweckte den Eindruck, als sei Astor gerade
erst aus den Federn gekrochen.
»Hier
sieht’s ziemlich chaotisch aus«, sagte Astor, als könne er die Gedanken seines
Freundes lesen. »Setz dich hin. Willst du was?«
»Nein,
danke.« Fischer ließ sich gegenüber Astor nieder, der die Monitore der Laptops
nach unten klappte, um über den Tisch hinweg ungestörten Blickkontakt zu haben.
»Jetzt
mal langsam«, sagte Astor, der kreidebleich geworden war. »Eine Tote,
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