Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
sollten vielleicht mal alles strukturieren,
was uns jetzt beschäftigt. Eine apokalyptische Stimmung halte ich für völlig
unangebracht.«
»Womöglich«,
so gab Aleen mit einem Anflug von Panik zu bedenken, »sind wir das beste
Beispiel dafür, dass man mit der Macht und Kraft seiner Gedanken auch alles
Schreckliche zur Realität werden lassen kann.«
»Du meinst, wir schaffen uns mit der Macht unserer
Gedanken die eigene Gegenwart?«, überlegte Jensen. »Wenn sich Gedanken
materialisieren, ist alles möglich.« Er sah in die Runde. »Nicht nur Böses,
sondern auch Gutes. Damit ließen sich sogar Spontanheilungen erklären, nicht
wahr?« Aleen warf ihm einen schnellen Blick zu, doch er wich ihm aus.
»Alles ließe sich damit erklären«, mischte sich jetzt
Mullinger ein. »Wenn wir es unserer Fantasie erlauben, alles für möglich zu
halten, wo uns die Realität Grenzen setzt, dann ist in der Tat alles möglich.
Wir müssen nur fest dran glauben.«
Josefina
wischte sich Tränen von den Wangen. »Das ist doch genau das, was uns die Bibel
sagen will: Glaubt und vertraut auf euch.«
»Glaube
versetzt eben Berge«, ergänzte Mullinger, der erleichtert zur Kenntnis nahm,
dass man ihn offenbar akzeptierte.
Josefina
fingerte nach ihrem Halskettchen, dessen winzigen Schmuckanhänger sie unter der
Wanderbluse spürte. »Soll ich euch mal sagen, was ich nach unserem letzten
Hüttentreffen bekommen habe?« Sie holte tief Luft und richtete sich auf, als
sei sie von einer neuen Energie getrieben. »Es ist ein winziges Symbol, über
das wir uns damals ausgiebig unterhalten haben.«
Alle
drei blickten auf Josefina, die jetzt ihr goldenes Halskettchen aus der Bluse
zog und stolz den glitzernden Anhänger präsentierte. »Wisst ihr, was das ist?«
Sie hob ihn so weit hoch, wie die Halskette es zuließ.
Jensen
bückte sich und besah es aus der Nähe. »Das ist doch … « Er
stockte.
Aleen,
die am nächsten dran war, schwieg. Erst Mullinger, der sich als Neuling der
Bedeutung des Gesehenen nicht bewusst war, sprach es aus: »Das ist doch eine
Posaune. Oder sehe ich das falsch?«
»Das
siehst du nicht falsch«, entgegnete Josefina stolz.
»Und
woher hast du sie?«, wollte Jensen ungeduldig wissen.
»Wenn
ich das wüsste. Man hat sie mir mit der Post zugeschickt. Ohne Absender, ohne
Kommentar.«
»Posaune«,
wiederholte Aleen kühl. »Ich hoffe, ihr habt von unserem letzten Treffen noch
in Erinnerung, was dies bedeutet.«
Josefina
flüsterte. »Die Endzeit … wir können uns ihr nicht entziehen.« Sie schluchzte wieder. »Und
Karin hat es gewusst.«
27
Chefinspektor Paul Grantner und
sein junger Bezirksinspektor Ferdinand Platzko waren im geländegängigen
Dienstwagen des Kollegen aus Grän unterwegs. Das Fahrzeug rumpelte über
geschotterte Forstwege, in denen tiefe Querrinnen fürs ablaufende Wasser
eingebracht waren, zum Steilhang des Neunerköpfles hinauf. Ohne den
ortskundigen Beamten wäre es den Kriminalisten aus Innsbruck unmöglich gewesen,
durch das enge Seitental vom Haldensee aus den Fahrweg zur Oberen Strindenalpe
zu finden, wo es irgendwo, weit oben, nach vielen Serpentinen und ohne
Beschilderung zu Josefinas Hütte abging.
Larissa,
die Tochter der Ermordeten, hatte bei ihrer Vernehmung erklärt, wohin ihre
Mutter unterwegs gewesen war. Deshalb nahm Grantner die Gelegenheit wahr, die
Hütte noch an diesem Abend aufzusuchen. Jetzt, um 21.45 Uhr, erschien ihm dies
nicht zu spät zu sein. Immerhin waren diese Sommerabende hell. Richtig dunkel
wurde es erst in einer halben Stunde. Die Kotflügel streiften an Stauden und
frischem Grün entlang. In den steilen Spitzkehren schleuderten die Reifen
Schottersteine gegen das Bodenblech.
»Das
ist aber keine öffentliche Hütte?«, erkundigte sich Grantner, der auf dem
Beifahrersitz saß und sich angesichts der wilden Fahrweise des Gräner Kollegen
krampfhaft an allem festhielt, was sich dazu eignete.
»Nein«,
antwortete Gustav Niedermaier, der als Gräner Abteilungsinspektor jetzt den
Chauffeur spielte. »Die Hütte gehört einer alteingesessenen Bauernfamilie in
Reutte. Sie haben sie vor geraumer Zeit umgebaut und sich damit Ärger mit den
Naturschützern eingehandelt.«
»Und
was sind das für Leute, die sich dort oben treffen?«, kam eine Stimme aus dem
Fond des Wagens. Es war Platzko, der gegen Übelkeit kämpfte, weil ihm die
Fahrweise des Gräner Kollegen auf den Magen geschlagen war.
»Da
wird viel drüber g’redet«, sagte der
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