Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Morgen will noch der Theologe Christoph
Falkenstein zu uns stoßen. Ein Pensionär aus Stuttgart. Nur Robert Fischer
bleibt diesmal fern. Er fühlt sich gesundheitlich etwas angeschlagen, ist aber
sozusagen im Lande – drunten auf dem Campingplatz, als
Dauercamper mit seiner Frau. Die beiden kommen aus Neresheim und haben bis vor
drei Jahren, als sie in den Ruhestand gingen, eine Apotheke in Aalen gehabt.«
»Wie?«,
Grantner staunte. »Dieser Fischer ist Apotheker?«
»Ja.
Wieso erstaunt Sie das?«, fragte Jensen schnell zurück, worauf sich alle Blicke
dem Chefinspektor zuwandten. Doch der sagte nichts.
Ihn
interessierte etwas anderes: »Dieser Herr Astor – der
kommt auch nicht?«
»Doch,
übermorgen«, antwortete Jensen knapp.
»Und es
waren immer acht Leute?«, hakte Grantner nach.
Jensen
überlegte und sah seine Freunde nacheinander an. Er rang mit sich, ob er es
sagen sollte, entschied sich dann aber, eine ehrliche Antwort zu geben: »Nein,
nicht immer – und auch nicht immer dieselben. Unser Herr Mullinger, der junge
Mann hier, ist ganz neu in der Runde. Anfangs waren wir mal zehn Leute. Aber
drei sind bereits von uns gegangen.« Er hatte die Stimme gesenkt.
»Ausgestiegen
oder gestorben?«, verlangte Grantner Klarheit.
»Gestorb’n«,
antwortete Josefina unerwartet schnell.
»Wann
war das?«
»In den
letzten Jahren«, sagte Jensen. »So ganz genau können wir Ihnen das nicht
sagen.«
»Aber
die Namen können S’ mir doch geb’n, oder?«
»Wozu
denn das?«, fragte Jensen für Grantners Begriffe ein bisschen zu schnell nach.
»Das
müssen S’ schon mir überlass’n, Herr Jensen«, konterte der Chefinspektor, um
damit erneut deutlich zu machen, wer bei diesem Gespräch das Sagen hatte.
»Das
waren Menschen, die in ganz Deutschland verstreut gewohnt haben. Crailsheim,
Fulda, Flensburg.«
»Die
Namen geben S’ meinem Kollegen zu Protokoll. Wenn’s geht, auch noch ein paar
Einzelheiten, vielleicht sogar Adressen, falls Sie diese noch haben«, zeigte
sich Grantner energisch und prägte sich in Gedanken die Ortschaften ein. Wenn
ihn seine geografischen Kenntnisse von Deutschland nicht trogen, lagen diese
Städte alle an der A 7 – der längsten Autobahn der Bundesrepublik. Sie führte ziemlich
gradlinig vom Norden in den Süden. Von Flensburg bis Füssen.
32
Nena war eine groß gewachsene
Frau, schlank, schwarzhaarig und gerade 24 Jahre alt geworden. Seit Linkohr sie
bei einer privaten Geburtstagsfeier kennengelernt hatte, verging kein Tag, an
dem sie nicht miteinander telefonierten. Als Reiseverkehrskauffrau konnte sie
ihm so herrlich von ihren Urlaubswünschen vorschwärmen. Doch nach all seinen
Enttäuschungen, die er mit dem weiblichen Geschlecht schon erlitten hatte, war
es ihm gar nicht danach, jetzt bereits eine Reise zu planen. Andererseits aber
erschien ihm ihr Vorschlag, zu den Mayastädten nach Mexiko zu fliegen, gerade
in diesem Jahr ziemlich reizvoll. Immerhin waren es die Mayas, die mit ihrem
Kalender, der im Dezember 2012 endete, in manchen Kreisen für
Weltuntergangsstimmung sorgten.
Von
Linkohrs Göppinger Dienststelle bis nach Schorndorf, dem Wohnort Nenas, war es
nur ein Katzensprung. Er hatte sie gegen Mitternacht angerufen und sein
unerwartetes Kommen angekündigt, was sie freudig erregt zur Kenntnis nahm. Eine
halbe Stunde später bereits saß er ihr in der kleinen Einliegerwohnung am
Stadtrand gegenüber. Sie stießen mit Prosecco an, den sie bereits eingegossen
hatte. »Auf uns«, lächelte sie charmant. Ihre dunklen Augen glänzten.
Linkohr
musste ihr von den Ereignissen des Abends berichten. Er empfand es als
wohltuend, dass sie sich für seinen Job interessierte und seine unregelmäßigen
Arbeitszeiten sogar akzeptierte. Oft genug schon waren seine Beziehungen
gescheitert, weil es im entscheidenden Moment einen Einsatz gegeben hatte.
»Glaubst
du denn an so was?«, fragte sie und legte ihre Beine, die wie immer in langen
Lederhosen steckten, abgewinkelt auf die Couch, um sich in eine Ecke kuscheln
zu können. Linkohr nahm sein Glas und setzte sich zu ihr, worauf sie ihm übers
Haar strich. »Ob ich was?« Er war irritiert.
»Ob du
an das glaubst, womit sich diese Frau Waghäusl befasst hat«, wiederholte sie
ihre Frage zu all dem, was ihr Linkohr soeben erzählt hatte. »Das mit den
Grenzwissenschaften und so.«
Linkohr
zuckte mit den Schultern und kam ihr ein Stück näher. Er wollte eigentlich
nicht darüber reden. »Glauben heißt nichts wissen«,
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