Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Ruhe fand.
Waren
die Luken alle geschlossen, überlegte er. Nein, natürlich nicht. Die oberen
hatten sie halb geöffnet, wie jede Nacht. Er musste an Berichte denken, wonach
Narkosegas in Wohnwagen geleitet worden war. Aber dies, so verdrängte er seine
finsteren Gedanken, geschah nie auf Campingplätzen – und
wenn, dann allenfalls in südlichen Ländern.
Er hob
vorsichtig seinen Kopf aus dem Kissen, um noch besser in die Nacht lauschen zu
können. Da war es wieder, dieses Geräusch, das nicht in die nächtliche Stille
passte. Für ein, zwei Sekunden hatte es sich jetzt anders angehört. Als ob ein
leichter Gegenstand über den harten Sandboden geschoben worden wäre. Vielleicht
etwas aus Plastik, dachte Fischer und starrte mit weit aufgerissenen Augen an
die dunkle Decke des Wohnwagens, aus der sich das nicht abgedunkelte
Dachlukenfenster mit einer leichten Graufärbung abhob.
Für ein
paar Atemzüge kehrte wieder diese Stille ein, in der jedes noch so unbedeutende
Geräusch als Störung empfunden wird. Fischer wollte seinen Kopf gerade wieder
ins Kissen sinken lassen, als dieses Knirschen, das er eindeutig als Schritte
zu erkennen glaubte, wieder einsetzte, sich nun aber entfernte und nach wenigen
Sekunden verstummte. Vermutlich war die Person in Richtung Sanitärgebäude
gegangen, überlegte er und entschied, einen schnellen Blick nach draußen zu
riskieren. Vom Fenster auf seiner Bettseite konnte er diesen Bereich des
Campingplatzes einsehen. Ungeachtet dessen, dass seine Frau wach werden würde,
setzte er sich auf, fingerte nach dem Griff des Rollos und schob es ein kleines
Stück weit nach oben. Dieses kaum vernehmbare Aufrollen der Verdunkelung
genügte, um Renate aus dem Schlaf zu reißen.
»Was
ist denn los?«, hörte er ihre Stimme hinter sich. »Ist was passiert?«
»Psst«,
machte er und war bereits ganz dicht an den unteren, jetzt freiliegenden Teil
des Fensters herangerückt.
»Was
ist denn, Robert?« Seine Frau war zu ihm herüber gekrochen, um auch durch den
schmalen Spalt nach draußen sehen zu können. Doch mehr als das schwache Licht
einer Lampe gab es nicht zu sehen. Es blendete trotzdem.
Fischer
schwieg und beugte sich so weit er konnte nach links, um den dürftig
beleuchteten Weg zum Sanitärgebäude überschauen zu können. Dort ging
tatsächlich eine Person. Die schwarzen Konturen ließen auf eine längere Jacke
schließen. Fischer versuchte angestrengt, mehr Details zu erkennen. Doch dazu
war es zu spät. Zwischen dem Heckenbewuchs war die Silhouette mit der
Dunkelheit verschmolzen. Er zog das Rollo wieder nach unten.
»Was war da?«, flüsterte seine Frau.
»Keine Ahnung«, erwiderte Fischer gekünstelt ruhig. Er
war innerlich aufgewühlt, wollte sich dies aber nicht anmerken lassen.
»Wahrscheinlich ist jemand zur Toilette gegangen.«
»Und das regt dich derart auf?« Sie war misstrauisch
geworden.
»Vermutlich
hab ich auch schlecht geträumt«, sagte er, während sie sich wieder in ihre
Betthälfte zurückzog. »Aber wir sind ja auf einem sicheren Campingplatz.«
Obwohl
sein Herz wie wild raste, wollte er sich gelassen geben und zumindest so tun,
als könne er gleich wieder schlafen.
Doch
nach einer halben Minute fragte Renate in die Nacht: »Weißt du, was ich
glaube?«
Er gab
keine Antwort, weshalb sie mit ängstlicher Stimme fortfuhr: »Robert, ich
glaube, hier ist etwas im Gange. Vielleicht ist es besser, wenn wir schon
morgen fahren.«
Er
schwieg. Einschlafen konnte er jetzt nicht mehr.
34
Linkohr war gleich von
Schorndorf zum Dienst gefahren. Auch Nena hatte an diesem Samstagvormittag
arbeiten müssen. Allerdings fiel es ihr zunehmend schwer. Zwar arbeitete sie
gern, aber ihr cholerischer Chef setzte alles daran, den Angestellten mit
geradezu sadistischer Freude das Leben schwer zu machen. Es schien so, als
ersinne er stets neue Gemeinheiten, um sie zu schikanieren. Seine Lieblingsmethode
war das Versenden von Abmahnungen im Doppelpack, meist freilich dilettantisch
und fehlerhaft verfasst, sodass die Empfänger trotz allem noch darüber
schmunzeln konnten. Auch Nena war jüngst mit zwei Abmahnungen in einer einzigen
Briefsendung konfrontiert worden – wegen
Lappalien. Wenn sich der Kriminalist derlei systematisches Mobbing vor Augen
führte, wunderte er sich, dass die Betroffenen stillhielten und diese
›Sklavenhalterei‹, wie er es den Schilderungen Nenas zufolge empfand, geduldig
ertrugen. Aber was blieb den meisten auch anderes übrig? Das System war
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