Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
sagte er. »Und wir dürfen
uns nicht anmaßen, etwas für unmöglich zu halten, bloß weil wir nichts darüber
wissen.«
»Och«,
lächelte sie ihn an, »das hast du jetzt aber schön gesagt.« Sie umarmte ihn und
drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Sein Oberlippenbart kitzelte so herrlich
erotisch, wie sie es empfand. »Du bleibst doch heut’ Nacht hier?«, hauchte sie,
und es klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Bitte.
Linkohrs
Herz begann zu rasen. Hatte sie das wirklich gesagt? Oder war es nur Einbildung
gewesen?
Er
nickte und kam ihr noch ein Stück näher, um ihren warmen Atem zu spüren. »Weißt
du«, flüsterte sie, um es besonders zärtlich klingen zu lassen, »ich brauch
dich.« Sie prosteten sich zu, wonach sie hinzufügte: »Und ich will dich. Aber
nicht nur so, wie du jetzt denkst.«
Solche
Worte hatte Linkohr in so einer Atmosphäre noch nie gesagt bekommen. Wie ein
Blitz schossen ihm böse Erinnerungen durch den Kopf – und
eine innere Stimme, die ihn warnend fragte: Meint Nena es wirklich ernst?
33
Es war längst still geworden im
Tannheimer Tal, das der sternenklare Himmel in ein sanftes und friedliches
Grauschwarz hüllte. Auf dem Campingplatz brannten nur einige wenige Lampen, die
Fenster der Wohnwagen und Wohnmobile waren mit Rollos verdunkelt.
Das
Apotheker-Ehepaar Robert und Renate Fischer hatte nach der Rückkehr aus der
Gaststätte noch im geräumigen Caravan »Waldis Club« im Fernsehen gesehen. Nach
dem Fußballeuropameisterschaftsspiel England gegen Spanien, das an diesem Abend
übertragen worden war, sangen Waldis Plaudergäste gleich zu Beginn der Sendung
lautstark und optimistisch das Stimmungslied »Wir sind die Besten von Europa.«
Robert Fischer bemerkte, wie seine Gedanken abschweiften und er sich überhaupt
nicht auf die Gespräche konzentrieren konnte. Seine Frau war inzwischen auf dem
Bett eingeschlafen, so dass er gegen halb eins entschied, den Fernseher
auszuschalten und sich ebenfalls hinzulegen.
Zwei
Stunden später war er schweißgebadet aufgeschreckt. Gerade hatte er geträumt,
ihm sei in seinem Labor ein Reagenzglas mit giftiger Flüssigkeit zu Boden
gefallen. Doch jetzt, noch im Halbschlaf, schien es ihm, als habe sich dieses
Geräusch in seinen Traum hineingeschlichen. Vermutlich war es ganz real
gewesen. Kein Traum. Sondern von draußen. Er kam langsam zu sich und blieb
regungslos liegen, um seine Frau nicht zu wecken, die auch in der Geborgenheit
eines Campingplatzes nachts dazu neigte, auf jedes merkwürdige Geräusch
ängstlich zu reagieren.
Fischer
spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Spielte ihm jetzt sein Gehör in
dieser Totenstille der Nacht einen Streich – oder
knirschten draußen auf dem groben Kies des Weges tatsächlich vorsichtige
Schritte?
Vielleicht
ein Camper, der ins Sanitärhaus hinüber ging, versuchte er sich zu beruhigen.
Zwar hatte jeder Wohnwagen und jedes Wohnmobil eine Toilette an Bord, doch
benutzten nicht alle Camper sie fürs ›große Geschäft‹.
Aber jetzt in der Nacht? Fischer drehte seinen Kopf
vorsichtig zur roten Digitalanzeige des kleinen Weckers. 3.05 Uhr.
Er hielt den Atem an. Wenn dieses leise Knirschen, das
ganz schwach an seine Ohren drang, wirklich Schritte waren, dann hatten sie
sich in den vergangenen Sekunden nicht entfernt. Nicht zum Sanitärhaus hinüber – und auch nicht von dort her. Dieses Geräusch kam aus
unmittelbarer Nähe. Vielleicht trennte ihn nur die dünne Wand des Wohnwagens
von jemandem, der draußen durch die Nacht schlich.
Einfach aufspringen, Tür aufreißen und nach dem Rechten
sehen, hämmerte es in Fischers Kopf. Was konnte schon passieren – hier, umgeben von Dutzenden anderer Camper?
Doch
gleichzeitig würde seine Frau panisch erschreckt aufwachen. Und falls da
draußen ein Unbekannter sein Unwesen trieb, konnte man nie wissen, wie solche
Täter reagierten. Messer, Dolch, Pistole – alles,
was zum Töten geeignet war, jagte ihm rasend schnell durch den Kopf.
Er
entschied, nicht den Helden spielen zu wollen.
Was
aber, wenn da jemand einen Brandanschlag vorbereitete? Benzin ausgoss und eine
Lunte legte? Instinktiv sog Fischer mit dem nächsten Atemzug die Luft tief ein.
Roch es nach Benzin? Nach Rauch? Noch einmal atmete er tief ein, während die
vermeintlichen Schritte kurz verstummten. Nein, es roch nach gar nichts,
stellte Fischer fest. Sein Herz raste, während neben ihm Renate zwei Atemzüge
lang schnarchte, sich im Schlaf bewegte und dann wieder zur
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