Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
dies bei
landwirtschaftlichen Maschinen schon geht.« Begeistert fasste er sein
umfassendes Fachwissen zusammen. »Zwar wird die Lenkung prinzipiell
elektronisch unterstützt, kann aber ebenso noch manuell erfolgen – und zwar auch dann, wenn alle Elemente ausfallen. Die
Problematik liegt allerdings ganz woanders, nämlich darin, dass der Fahrer
sinnesphysiologisch nicht mit einem derartigen Ausfall rechnet.« Beier war
jetzt nicht mehr zu stoppen. »Sie müssen sich vorstell’n, dass der Fahrer, wenn
er realisiert, dass ein Problem aufgetreten ist, wenigstens 0,5 bis 0,8
Sekunden braucht, um dann in weiteren 0,5 Sekunden darauf reagiern zu können.
Diese Zahlen entsprechen den neuesten Untersuchungen an unserem Institut.
Insgesamt dauert es also rund eine Sekunde, bis der Fahrer dem Problem
entgegenwirken kann.«
Häberle
nickte, kam aber nicht zu Wort.
»Jetzt
stellen S’ sich mal vor, da merkt jemand, dass irgendwer elektronisch in die
Lenkung eingreift, dann wird sie zu diesem Zeitpunkt bereits derart
fehljustiert sein, dass bei hoher Geschwindigkeit ein Unfall nicht mehr zu
vermeiden sein wird. Um es klar zu sagen: Bevor der Fahrer reagiert, ist der
Unfall gescheh’n.« Häberle hatte die Ausführungen fasziniert verfolgt. »Wie
viele solcher Fälle haben Sie in Ihrer Laufbahn schon gehabt?«
»Keinen
einzigen, um ehrlich zu sein.« Beier zog ein spitzbübisches Gesicht. »Das
spricht aber doch eher für als gegen diese Methode. Denn nur wenn Sie als
Kriminalist den Verdacht hätten, dass auf diese Weise manipuliert wurde, würde
ein Autowrack vollständig zerlegt und konkret nach so einem Steuergerät
gesucht.« Beiers Interesse stieg: »Sie dürfen sich jederzeit an mich wenden,
wenn Sie einen begründeten Verdacht hab’n. Wir sind auf solche Dinge
spezialisiert.«
»Wie
gesagt, von den Unfällen, um die es mir geht, sind die Fahrzeuge inzwischen
verschrottet.« Häberle überlegte und schob eine Frage nach: »Alles, was Sie mir
jetzt erzählt haben, ließe sich auch auf andere Fahrzeuge mit Bordelektronik
anwenden?«
»Natürlich.
Auf Schiffe, auf Flugzeuge – auf alles.«
Häberle
bedankte sich und fügte im Gehen an: »Vielleicht gibt’s tatsächlich noch Arbeit
für Sie.« Noch unter der Tür stehend, drehte er sich um: »Wie oft werden Sie
eigentlich nach all dem gefragt, was Sie mir jetzt erzählt haben?«
»Selten«,
kam Beier näher, »die Bavaria-Filmstudios brauchen solche Fernsteuerungen
gelegentlich, wenn’s um Action-Szenen im Film geht. Allerdings hat erst vor ein
paar Tagen eine Frau angerufen. Angeblich eine Journalistin, die wissen wollte,
ob’s solche Geräte tatsächlich gibt.«
»Wie
sie heißt, wissen Sie aber nicht mehr?«
Beier
schüttelte bedauernd den Kopf.
49
Das Nebenzimmer des Gasthofes
in Pfronten war gut gefüllt. Annähernd 50 Personen waren gekommen, um sich über
neue finanzielle Beteiligungen an regenerativen Energieanlagen wie Fotovoltaik
sowie Wind- und Wasserkraft zu informieren. Ein Beamer warf die bunte
Power-Point-Präsentation mit animierten Skizzen und Bildern an die Wand. Darauf
drehten sich Rotoren und Wasserturbinen.
Der Mann, der seitlich der Leinwand stand und mit einem
roten Laser-Pointer markierte, worüber er gerade sprach, war an diesem
Samstagabend erst so richtig in Fahrt gekommen.
»In Zeiten, in denen alles, was mit Geldanlage zu tun
hat, von dubiosen Bankern ins Zwielicht gerückt wurde, tut man sich als
seriöser Anbieter schwer. Ich weiß das. Weil ich aber nichts mit derlei
Geschäften zu tun habe – mit Aktien, Termingeschäften, Optionen oder
gar Heuschrecken – freue ich mich, wenn Sie alles kritisch
hinterfragen, woran Sie zweifeln. Aber Sie dürfen versichert sein, meine Damen
und Herren«, er sah in die Gesichter im abgedunkelten Saal, »ich bin nicht
verbandelt mit der Stromlobby, nicht mit den Banken, nicht mit Politikern,
nicht mit Großkonzernen. Meine Angebote sind so seriös wie die Energie, um die
es geht. Sauber, nachhaltig, gefahrlos und nur an dem ausgerichtet, was wir uns
alle, die wir hier sitzen, wünschen. Saubere Energie, faire Preise und eine
Beteiligung des Volkes an dem, wovon unsere ganze Zivilisation und unser Leben
abhängen – nämlich an dieser Energie.« Beifall
brandete auf, nachdem einige Claqueure den zustimmenden Applaus in Gang gesetzt
hatten.
Uwe Astor
liebte solche Abende, obwohl er wusste, dass er hier in Bayern mit den
regenerativen Energien bei Weitem noch nicht so punkten konnte wie
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