Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
im
benachbarten Baden-Württemberg, wo die neue Landesregierung kräftig auf
Windstrom setzte.
Eine
dreiviertel Stunde lang spulte er sein vorbereitetes Programm ab, ohne dass er
unterbrochen wurde. Dann kam er auf sein Beteiligungsmodell zu sprechen, das er
mit den Produzenten regenerativer Energieerzeugungsanlagen ausgearbeitet hatte.
Es sah entweder Genossenschaften oder andere private Betreibermodelle vor. Zwar
orientierten sich die errechneten Renditen stets an durchschnittlichen Erträgen
aus Sonne, Wasser und Wind, doch musste selbstverständlich damit gerechnet
werden, dass einigen fetten Jahren wieder viele negative Rechnungsergebnisse
gegenüberstanden. Aber so deutlich brauchte er dies auch nicht zu sagen.
Astor
verstand es, die Zuhörer zu begeistern. Immerhin war er lang genug im
Versicherungs- und Finanzgeschäft tätig, um zu wissen, wie Menschen tickten,
wenn’s um lukrative Angebote ging. Man musste zunächst die Neugier für ein
bestimmtes Produkt wecken, dann dezent und häppchenweise dessen Vorzüge
einfließen lassen und ebenso zurückhaltend den Eindruck erwecken, als könne man
mit minimalem Kapitaleinsatz eine maximale Rendite erzielen. Allmählich, das
wusste Astor, entfalteten sich in den Köpfen der Zuhörer gewisse Gelüste, die
mit dem Streben nach Glückseligkeit zu tun hatten, die meist mit finanzieller
Unabhängigkeit in Verbindung gebracht wurde.
Nach
seinen technischen Ausführungen über Windgeschwindigkeiten, Sonnenstunden oder
den Pegelständen verschiedener Flüsse standen erfahrungsgemäß nur die
betriebswirtschaftlichen Berechnungen und die steuerliche Bewertung solcher
Anlagen im Mittelpunkt der Diskussionen. Auch an diesem Abend gab es jede Menge
Wortmeldungen zur Frage, wie etwaige Verluste beim Finanzamt geltend gemacht
werden könnten.
Astor
reagierte routiniert, hatte auch dazu eine Power-Point-Präsentation parat und
schien damit auch den letzten Zweifler im Saal von den phänomenalen
Ertragsmöglichkeiten zu überzeugen.
Nach
zweieinhalb Stunden stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Seine stapelweise
mitgebrachten Broschüren waren blitzschnell vergriffen. Astor stellte dies
zufrieden fest und ging davon aus, dass er in den nächsten Tagen jede Menge
Anfragen bekommen würde. Auch wenn es in Bayern noch nicht genügend Standorte
für Windkrafträder gab, so würden sie im nahen Baden-Württemberg bald wie Pilze
aus dem Boden schießen.
Nachdem
er seinen Beamer abgeschaltet hatte und das gedämpfte Licht im Saal wieder den
grellen Leuchtstoffröhren gewichen war, wischte sich Astor mit einem
Papiertaschentuch über die Stirn. »Und jetzt, werte Gäste«, sagte er dabei in
einem völlig anderen Tonfall, »jetzt möchte ich Ihnen noch ein paar Gedanken
mit auf den Nachhauseweg geben.« Augenblicklich verstummten die Gespräche an
den Tischen wieder. »Geld und was wir damit machen, ist die eine Sache – aber
unser aller Leben besteht aus mehr. Denn Geld allein macht nicht wirklich
glücklich. Um sich wohlzufühlen, bedarf es auch eines behaglichen Zuhauses.
Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich habe Ihnen dazu einige Broschüren
mitgebracht.« Er bückte sich zu einem Karton, aus dem er einen Stapel bunter
Faltblätter zum Vorschein brachte und sie demonstrativ in die Höhe hielt.
»Nehmen Sie sie mit. Ich leg sie vorn an der Garderobe aus.« Während er die
Broschüren auf seinen Tisch sinken ließ, erhob er noch einmal die Stimme: »Ich
weiß ja nicht, wie sehr Sie sich auch mit Dingen befassen, die außerhalb
unseres menschlichen Vorstellungsvermögens liegen.« Er wusste um die Wirkung
eines solchen Satzes. Wann immer er ihn benutzte, war ihm die Aufmerksamkeit
der Zuhörer sicher. Nach einigen Stunden angestrengten Rechnens und
Kalkulierens schien es so, als bräuchten die Gehirne ein bisschen Balsam, der
in Form von sanften Themen verabreicht werden konnte, die keiner komplizierten
Mathematik bedurften. »Vielleicht haben Sie gelesen, dass der 21. Dezember 2012
ein ganz besonderer Tag sein wird.«
»Weltuntergang«, schallte ihm eine Männerstimme aus dem
Publikum entgegen. »Wenn d’ Welt untergeht, brauch’n wir uns keine Gedanken
mehr übers Geld zu machen.« Gelächter brandete auf. Astor überkamen plötzlich
Zweifel, ob es strategisch klug gewesen war, dieses Thema anzusprechen.
Möglicherweise hatten einige Zuhörer bereits zu viel Alkohol konsumiert.
»Das kann man so oder so sehen«, griff er den Einwand des
Zwischenrufers mit äußerer
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