Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
rollen zu hören.«
Linkohr
konnte dies durchaus nachvollziehen. Die Kriegsgeneration hatte viel
Schreckliches erlebt, das tief in die Psyche eingebrannt war. »Und diese Frau
Platterstein, die hatte wissenschaftliches Interesse an diesem Bunker?«
»Nicht
wirklich Bunker«, widersprach Frau Landau. »Es war immer als Weinkeller gedacht
und wurde nur während der Kriegszeit als Bunker genutzt. Zum Glück ist aber
diese Stadt hier von großen Luftangriffen verschont geblieben.«
»Und
welches besondere Interesse hat nun die Frau Platterstein an diesem Keller?«,
ließ Linkohr nicht locker.
»Nun«,
überlegte Frau Landau, »da scheint es möglicherweise etwas zu geben, worüber
niemand so genau reden möchte. Auch der Zeitzeuge will nur andeutungsweise
davon gehört haben.« Sie schritt zur Treppe. »Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen.«
Er
folgte ihr im Schein einer Stabtaschenlampe zu der weiter abwärts führenden
Treppe, wo es offenbar keine elektrische Beleuchtung mehr gab. »Passen Sie auf
Ihren Kopf auf. Es kann eng werden«, sagte sie und ließ den Lampenstrahl über
Decke, Wände und Stufen streichen. Linkohr folgte ihr nach. Die Luft wurde
modriger und kälter.
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, hallte die Frauenstimme
zu Linkohr zurück. »Ich kenne hier jeden Winkel.«
Linkohr
zählte die Stufen und konzentrierte sich auf den Lichtschein, der ihm hinter
Frau Landaus Silhouette Orientierung bot. Nach 35 Stufen, was nach Linkohrs
überschlägiger Berechnung etwa zweieinhalb normalen Etagen entsprach,
erreichten sie ein weiteres Gewölbe, das noch im Originalzustand zu sein
schien. Es gab keinen durchgängigen Verputz, sodass sich im Schein der
Taschenlampe die einzelnen Natursteine ganz deutlich abzeichneten. Linkohr sah
sich um und bemerkte einen fahlen, von oben hereinfallenden Lichtschein.
Offenbar waren sie jetzt unter jenem Schacht angelangt, durch den einstmals die
Weinfässer hinaufgehievt und herabgelassen werden konnten.
Linkohr
stellte sich vor, wie grausam es gewesen sein musste, hier bei einem möglichen
Bombenangriff dicht gedrängt zu sitzen und nicht zu wissen, ob man jemals
wieder heil aus diesem grabähnlichen Verlies herauskommen würde.
»Hier
unten«, hallte Frau Landaus Stimme merkwürdig dumpf und raumfüllend von den
Gewölbewänden, »soll in den letzten Kriegstagen, bevor die Amerikaner von
Göppingen her vorgedrungen sind, etwas eingemauert worden sein, worüber niemand
sprechen will.«
Linkohr
überlegte blitzartig, was gemeint sein konnte. Akten über Naziverbrechen oder
Waffen?
»Manche
sagen, es seien Gewehre«, erklärte Frau Landau und ließ den Strahl ihrer Lampe
an einer Reihe von Natursteinen entlang hüpfen, deren Verfugungen vermuten
ließen, dass sie jüngeren Datums waren – also
nicht aus dem vorletzten Jahrhundert stammten, in dem diese Grundmauern
vermutlich errichtet worden waren. »Aber wenn’s Gewehre wären, müsste dort ein
relativ großer Hohlraum sein, was wir uns aber nicht vorstellen können.« Sie
trat näher an die Wand heran, worauf Linkohr mit den Fingern über die rauen
Fugen strich.
»Wir
haben schon mit dem Gedanken gespielt, es aufbrechen zu lassen«, erklärte die
Blumenhändlerin weiter, »aber wir sind nicht sicher, ob die Statik es zulässt.«
Sie richtete den Lichtstrahl an die Gewölbedecke hinauf. »Wir wollen ja nicht
riskieren, dass das ganze Ding zusammenbricht.«
»Und
wenn keine Waffen, was dann?«, kam Linkohr auf das Gesagte zurück.
Der
Lichtstrahl tanzte wieder über das Mauerwerk. »Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen
sagen darf. Vielleicht halten Sie dann mich und die Professorin für komplett
durchgeknallt. Aber Frau Platterstein schließt nicht aus, dass dort etwas ganz
anderes vor den Alliierten in Sicherheit gebracht worden sei.«
Frau Landau schien auf eine Reaktion Linkohrs zu warten,
doch der vergrub seine Hände tief in seiner Freizeitjacke und schwieg.
»Man muss wissen, dass die Professorin sich ein bisschen
mit Dingen befasst, die nicht gerade jedermanns Sache sind.«
»Keine Sorge, was wir hier reden, bleibt unter uns«,
beruhigte Linkohr.
»Wie
gesagt, ich kann das nur alles vom Hörensagen berichten. Aber es hat damals
während des Krieges in dieser Stadt mehrere Stollen gegeben. So hat
beispielsweise die WMF dort drüben auch eine Produktionsstätte in den Berg
reingetrieben. Und draußen, im Eybacher Tal, soll es noch bis vor wenigen
Jahren bei den Sportplätzen Stollen gegeben haben, deren Eingang
Weitere Kostenlose Bücher