Grave Mercy Die Novizin des Todes
zittert in ihrem Hemd und sieht noch jünger und verletzlicher aus als die arme Isabeau.
Es klopft an der Tür. Ich ziehe meinen Umhang aus und wickle ihn der Herzogin um die Schultern, dann gewähre ich den Dienern Zutritt, damit sie ihr ihr Bad einlassen können. Sie füllen höflich den Kupferzuber mit heißem Wasser, schüren das Feuer, legen frische Leinenhandtücher heraus und verharren dann unsicher.
»Geht«, sagt Anne mit müder Stimme.
Als sie fort sind, wende ich ihr den Rücken zu, um ihr einen Moment der Ungestörtheit zu schenken, während sie ins Bad tritt. Als Person von hohem Rang hatte sie immer Damen, die ihr aufwarteten, die ihr den Rücken schrubbten, ihr ein Handtuch reichten und ihr das Haar bürsteten. Außer in dem Moment, als sie sie am dringendsten bräuchte, denke ich, und wieder steigt Ärger in mir auf. »Möchtet Ihr, dass ich Euch das Haar wasche, Euer Hoheit?«
Ein Mundwinkel zuckt in einem tapferen Versuch zu lächeln in die Höhe. »Ein Teil Eurer Ausbildung zur Meuchelmörderin?«
Ich lächele zurück. »Nein, lediglich etwas, das meine Schwestern im Kloster und ich füreinander zu tun pflegten.«
Der Blick ihrer dunklen Augen begegnet meinem. »Heute habe ich das Gefühl, als seien wir Schwestern, und es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr für mich tun würdet, was Ihr für Eure Freundinnen im Kloster getan habt.«
Ich senke den Kopf demütig angesichts dieser Geste. »Aber natürlich, Euer Hoheit.«
Ich hole den Krug und fülle ihn mit warmem Wasser aus dem Zuber, dann kippe ich den Inhalt über ihr langes braunes Haar. Noch nie habe ich sie ohne ihren Kopfschmuck gesehen, und ihr Haar ist so glänzend und dick wie das eines Nerzes. Wir schrubben und spülen schweigend; die Seife, die sie benutzt, riecht nach Rosen.
Als sie wieder zu sprechen beginnt, ist ihre Stimme fester. »Sobald ich sauber und angekleidet bin, muss ich nach Gavriel schicken.«
»Ist er es, mit dem Ihr als Erstes sprechen möchtet?« Das freut mich, dieses Vertrauen, das sie in ihn hat.
Sie dreht sich um, um mich anzusehen. »Vor allen anderen«, erwidert sie, und ihr Gesicht und ihre Augen sind ernst. Sie wendet sich wieder ab, und ich gieße einen weiteren Krug voll Wasser über ihr Haar, um die Seife herauszuspülen.
»Als ich geboren wurde, hat mein Vater Gavriel beiseitegenommen und erklärt, dass mich zu behüten von jetzt an seine erste Pflicht sei. Mein Glück und meine Sicherheit lagen in seinen Händen.«
»Wie alt war er damals?«
»Zwölf oder dreizehn, glaube ich.«
Nicht älter, als sie jetzt ist. »So viel Verantwortung für einen so jungen Menschen.«
»Ah, aber es kam ihm gelegen. Es hat seinem Leben ein Ziel gegeben. Jetzt hatte er einen Grund, in seinen Lektionen Überragendes zu leisten, seine Lehrer im Schach zu schlagen und stundenlang im Schwerthof zu üben.« Ihre Stimme verändert sich, wird weicher. »Und er war in mich vernarrt. Er hat mir einmal gesagt, dass er von dem Moment an, da er mich das erste Mal gehalten habe, hingerissen gewesen sei. Ich habe keine Klugheit oder Siege von ihm verlangt, sondern ihn nur gebeten, dass er mich lieben und beschützen möge. Und das hat er seither getan.«
»Wurden in diesem Alter tatsächlich so viele Erwartungen in ihn gesetzt?«
»Habt Ihr seine Mutter nicht kennengelernt, Demoiselle?«
Darüber kann ich nur lachen. »Ja, das habe ich, Euer Hoheit.«
»Sie hat seit seiner Geburt Ränke und Pläne geschmiedet, und die meisten haben sich um ihn gedreht. Bis zu meiner Geburt hat er es hingenommen. Sobald ich in seine Obhut gegeben wurde, wollte er nichts mehr mit ihren Plänen zu tun haben. Selbst damals leuchtete seine Ehre heller als die der meisten Männer. Ich glaube, sie hasst mich ziemlich dafür.«
»Zweifellos«, murmele ich, fasziniert von diesem Blick auf den jungen Duval.
»Und wenn ich je Zweifel gehabt hätte – was nicht der Fall war, obwohl andere durchaus Zweifel hatten –, so wurden sie ausgelöscht, als ich fünfJahre alt war. Habt Ihr gewusst, dass ich mit dem englischen Kronprinzen verlobt war?«
»Ja, Euer Hoheit. Im Kloster studieren wir die Aktivitäten Eurer Familie, da Eure Sicherheit und Euer Wohlergehen unsere Priorität sind.«
Sie schaut zu mir herüber, und dabei bekommt sie hübsche Grübchen. »Wirklich?«
»Wirklich.«
»Kein Wunder, dass Ihr und Gavriel so gut zueinanderpasst«, meint sie und wendet sich wieder ab, damit ich fortfahren kann, ihr Haar auszuspülen. Ich runzele bei ihren
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