Grave Mercy Die Novizin des Todes
Gefängniszelle zu schicken. Wir werden morgen früh als Erstes zusammenkommen und abstimmen.«
Die schiere Ungerechtigkeit dieser Entwicklung lässt mich Dunois anstarren. »Wie können sie all jene ignorieren, die sich so offen gegen die Herzogin gestellt haben, aber Duval aufgrund eines dünnen Netzes gegenstandsloser Anklagen einsperren?«
Dunois sieht Duval beklommen an. »Weil sie sich machtlos fühlen und irgendetwas unternehmen wollen, auch wenn es nicht das Richtige ist.«
Als Duval erneut zu sprechen beginnt, ist es, als zerre er die Worte aus einer großen, hohlen Grube in sich selbst. »Und das ist die wahre Gefahr«, sagt er. »Sie werden denken, sie hätten sich um die Bedrohung gekümmert, obwohl sie es nicht getan haben. Wer immer diesen Anschlag geplant hat, wird frei sein, wieder zu handeln.« Er schaut auf und sieht Dunois in die Augen. »Danke für die Warnung.« Ihre wortlose Übereinkunft ist voll des Bedauerns.
Als Dunois den Raum verlässt, erhebt sich Duval und beginnt, vor dem Kamin auf und ab zu gehen. Ich warte darauf, dass er spricht, und als er still bleibt, kann ich nicht länger schweigen. »Warum hat der Kanzler dem Rat nicht die Hintergründe Eurer Taten erklärt?«
Duval zuckt die Achseln. »Er ist ein schlauer alter Fuchs und spielt sein Spiel im Verborgenen. Vielleicht wollte er nicht, dass die anderen ihm in diesem Punkt in die Karten schauen, sodass sie ihre Anklagen und Verdächtigungen aufihn richten würden. Wer bliebe dann noch übrig, um Annes Sicherheit zu gewährleisten? Oder vielleicht wusste er einfach, dass er in der Minderheit war, und er wollte nicht für eine verlorene Sache kämpfen.«
»Er war es, der mir erzählt hat, dass Ihr Euren Eid gebrochen habt«, platze ich heraus.
Duval bleibt stehen und starrt mich an. »Er hat Euch das erzählt? Wann?«
Ich zucke die Achseln. »Als ich nach der Versammlung der Staatsmänner in seinem Kontor war.«
»Und doch habt Ihr nichts gesagt.«
Ich zucke abermals die Achseln, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Gründe erklären kann. Nicht einmal vor mir selbst. »Ich habe Euch nicht gefragt, weil klar war, dass er genau das wollte.«
Duval stößt ein bellendes Lachen aus. »Meine kleine Rebellin.«
Ich ignoriere die schwache Wärme der Freude, die seine Worte in mir heraufbeschwören. »Aber mir schien auch, dass ich kein Recht hatte, Euch nach Eurem Heiligen zu fragen, nachdem ich mich geweigert hatte, Euch irgendetwas von meinem zu erzählen.«
Der Blick, den er mir zuwirft, ist lang und nachdenklich.
»Und«, fühle ich mich gezwungen hinzuzufügen, »die Herzogin selbst hat mir von dem Zwischenfall erzählt. Aber erst später.«
»Hat sie das?«
»Ja, als ich mich nach d ’ Albrets Angriff um sie gekümmert habe.«
Duval hält meinen Blick lange Sekunden fest, bevor er sich abwendet und auf das Schachbrett zugeht. Ich geselle mich zu ihm, und gemeinsam betrachten wir die magere Streitmacht, die noch übrig ist, um die weiße Königin zu beschützen.
»Was wird geschehen, wenn sie Euch aus dem Spiel nehmen?«, frage ich.
Duval studiert das Brett aufmerksam, als versuche er, ihm Geheimnisse zu entlocken. »Dann ist niemand mehr übrig, der für Anne sprechen wird. Die Bestie kann es nicht tun, de Lornay ebenfalls nicht. Sie bekleiden keinen ausreichend hohen Rang, um den Rat umzustimmen.«
»Was ist mit Dunois?«
»Hauptmann Dunois ist ein so solider und loyaler Mann, wie man ihn sich nur wünschen kann, aber mit Politik und Bündnisverträgen und Machtspielen von Königreichen umzugehen, gehört nicht zu seinen Gaben. Männer in die Schlacht zu führen, Taktiken und Strategien im Krieg zu ersinnen, das sind seine Stärken.«
Ich starre auf das Brett und denke an die arme Herzogin, die umringt ist von einem Rat, der so wenig Interesse an ihrem persönlichen Wohlergehen hat. »Dann darf man Euch nicht aus dem Spiel nehmen«, stelle ich fest.
»Aber wenn ich fortgehe, führt das zu dem gleichen Ergebnis, nicht wahr? Es ist ein brillanter Plan, den sie ausgeheckt haben. Vielleicht wollten sie sogar, dass Dunois mit mir spricht. Ob ich verhaftet werde oder aus eigenem Antrieb fortgehe, das Ergebnis ist das Gleiche: Ich bin außerstande, Anne zu helfen. Es sei denn …« Duval klopft sich mit dem Finger aufs Kinn.
»Es sei denn was?«, frage ich ungeduldig.
Er sieht mich an, und sein Gesicht leuchtet von unheiliger Fröhlichkeit. »Es sei denn, es gibt eine Möglichkeit, mich aus dem Spiel zu
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