Grave Mercy Die Novizin des Todes
Stimmung.«
»Jawohl, Ihr und der ganze Palast«, murmelt sie düster.
Ich wende mich vom Fenster ab und reibe ein wenig Wärme in meine Arme.
Als sie das Gewand bereitgelegt hat, schicke ich sie davon, um mir ein Frühstückstablett zu holen, und beeile mich mit dem Anziehen.
Während ich das tue, bildet sich in meinem Kopf ein Plan heraus. Meine erste Aufgabe besteht darin, der Äbtissin zu schreiben und sie von dem Anschlag auf das Leben der Herzogin zu informieren.
Mitten im Briefhalte ich inne, als mir bewusst wird, dass der Kronrat nicht ein einziges Mal darüber diskutiert hat, wer hinter dem Mordversuch stecken könnte. Zumindest nicht in meiner Hörweite.
D ’ Albret kann es nicht sein, denn wenn Anne stirbt, gibt es keine Möglichkeit für ihn, Herzog zu werden. Dann Frankreich? Nehmen sie an, dass Isabeau zu schwach ist, um die Krone zu tragen?
Der Einzige, der durch Annes Tod gewinnt, ist der französische Regent, zumindest soweit ich das erkennen kann. Und wie sehr ich es auch im Kopf hin und her wende, ich kann es nicht mit Kanzler Crunards lauwarmer Unterstützung Duvals in Einklang bringen. In der Hoffnung, dass die Äbtissin ein wenig Licht in die Sache bringen kann, beende ich den Brief und schicke Vanth damit los.
Als diese Arbeit getan ist, richte ich meine Aufmerksamkeit auf den Rest des Tages und versuche, darüber nachzudenken, was ich mit mir anfangen soll. Ich habe bereits all meine Waffen geölt, und Madame Dinan wird mich nicht in den Wintergarten lassen. Außerdem trifft sich der Kronrat heute Morgen dort …
Und dann habe ich meinen Plan.
Während alle bei der Versammlung des Kronrats sind, ist es einfach, unbeobachtet in die Räume von Madame Dinan und Marschall Rieux zu schlüpfen. Alles, was dazu notwendig ist, ist ein gutgewählter Augenblick und die Drehung einer nadelähnlichen Klinge, dann bin ich auf der anderen Seite der Tür. Madame Dinans Gemächer sind ganz ähnlich wie die Frau selbst, von kalter Schönheit und ohne Wärme oder Herz. Marschall Rieux’ Räume sind großartig und üppig, was keine Überraschung ist. Er scheint der Typ zu sein, der Luxus verlangt, nicht so sehr um seiner eigenen Freude willen, sondern weil er denkt, es sei für jemanden von seinem Rang passend. Dennoch, seine Gemächer bergen keinerlei Beweise für irgendwelche verräterischen Taten.
Damit bleibt nur Crunard übrig.
Furcht lässt meine Schultern zittern bei dem Gedanken daran, seine Räume zu durchsuchen. Er ist schließlich der Mittelsmann des Klosters und scheint bei der Äbtissin großes Vertrauen zu genießen. Irgendwie bezweifle ich stark, dass sie mir danken wird, falls ich ihn als Verräter entlarve.
Aber sie ist meilenweit entfernt, und die junge Herzogin ist in Bedrängnis. Ihre Bedürfnisse scheinen mir wichtiger zu sein als die Empfindlichkeit der Äbtissin.
Ich gehe durch die Flure zurück zum Büro des Kanzlers. Es ist früher Nachmittag, und ich befürchte, ihre Ratssitzung könnte längst vorüber sein. Ganz zu schweigen davon, dass sie zweifellos inzwischen Duvals Abwesenheit bemerkt haben werden. Trotzdem, ich muss es versuchen.
Als ich die Tür des Kanzlers erreiche, sende ich meine Sinne aus und begreife, dass er im Raum ist. Und er ist nicht allein. Da sonst niemand im Flur ist, lege ich ein Ohr an die Tür. Die beiden Männerstimmen sind nah. Erschrocken begreife ich, dass sie an der Tür selbst stehen. Weniger als eine Sekunde später wird sie geöffnet. Ich versuche überrascht zu wirken; meine Hand ist zu einem Klopfen erhoben. »Kanzler Crunard«, sage ich.
Er runzelt die Stirn. »Demoiselle Rienne. Was tut Ihr hier?«
Ich gebe mir alle Mühe, den Mann nicht anzusehen, den Crunard aus seinem Kontor geleitet. »Ich bin gekommen, um festzustellen, ob Ihr wisst, wo der gnädige Herr Duval ist.« Es ist ein kühner Schritt, aber mir fällt kein anderer Grund ein, um meine Anwesenheit vor seiner Tür zu erklären.
»Nein, ich weiß nicht, wohin er gegangen ist«, antwortet Kanzler Crunard. »Ich wollte nach Euch schicken lassen, um Euch dieselbe Frage zu stellen.«
Außerstande, mich länger zu bezähmen, sehe ich Crunards Besucher an. Es ist der französische Gesandte, Gisors, dessen strahlend grüne Augen mich aufmerksam mustern.
Crunard folgt meinem Blick und nickt Gisors schroff zu. »Ich denke, ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt.« Ärger schimmert deutlich in seiner Stimme durch. Gisors’ Nasenflügel beben, dann macht er eine präzise
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