Grave Mercy Die Novizin des Todes
ich, so sicher, als habe Mortain Seine Hand auf meinen Rücken gelegt und mich gestoßen. Ich trete hinter dem Wandbehang hervor, nehme die mit Nachtschatten versetzte Kerze aus meinem Rock und nähere mich dem Bett.
Als mein Schatten über sie fällt, zuckt Madame Hivern zusammen, dann richtet sie sich auf. »Was tut Ihr hier drin?« Ihre Stimme ist schrill vor Überraschung, vielleicht sogar vor Angst. Ohne auf ihre Frage einzugehen, halte ich die tödliche Kerze an die kleine Flamme der Öllampe auf ihrem Nachttisch, bis sie Feuer fängt. Langsam drehe ich mich zu Duvals Mutter um. Im Raum ist gerade genug Licht, dass ich das Mal Mortains auf ihr sehen kann; ein schwacher Streifen Dunkelheit beginnt direkt unter ihrem Kinn und wandert ihre Kehle hinab. Das Todesmal breitet sich aus, wie ein blauer Fleck, der gerade beginnt sich zu bilden; es ist auf ihrem Hals und auf der Wölbung ihrer Brust, die von ihrem tief ausgeschnittenen Nachtgewand freigegeben wird. Dies tröstet mich ungemein, denn wenn Mortain sie gezeichnet hat, dann kann der Befehl des Klosters nicht auf irgendeiner List von Crunard beruhen.
»Ihr seid eine Spionin, nicht wahr?« In Madames Stimme liegt noch immer ein Unterton der Bestürzung. Sie wirkt jünger und verletzlicher ohne all ihre prächtigen Juwelen und ihren eleganten Kopfschmuck.
»Manche mögen mich so nennen, aber das ist es nicht, was ich bin.«
Sie stößt ein bellendes Lachen aus. »Ich hätte wissen sollen, dass Duval sich nicht mit einem einfachen Mädchen einlassen würde.«
»Der gnädige Herr Duval hat sich überhaupt nicht mit mir eingelassen«, erwidere ich scharf. »Wir arbeiten lediglich zusammen. Durch unsere Liebe zur Herzogin und unsere Pflicht haben wir viel gemeinsam.« Ich begreife, dass ich dichter herangehen sollte, damit die Dämpfe der Kerze schneller wirken können, aber meine Füße sind wie Blei.
»Wer immer Ihr sein mögt, Ihr irrt Euch ziemlich, wenn Ihr denkt, Duval hätte sich nicht mit Euch eingelassen. Wenn es etwas gibt, womit ich mich auskenne, dann sind es Männer. Und gewiss kenne ich meinen eigenen Sohn. Er ist verliebt.«
»Das ist nicht wahr!« Es ist demütigend, dieser Streit mit einem Opfer, während ich darauf warte, dass der Tod sie holt, und meine Stimme ist schärfer, als ich beabsichtige.
Sie legt den Kopf schräg und mustert mich, als hätten wir lediglich ein Tête-à-Tête über einem Glas gewürzten Weins. »Ah«, sagt sie, und ihre Stimme ist voll von einer Weisheit, die beinahe so alt ist wie die Mortains. »Ihr erwidert seine Liebe.«
Ich knirsche mit den Zähnen, sage jedoch nichts.
»Ich mache Euch keinen Vorwurf, dass Ihr bekümmert seid, Ismae. Es ist nicht angenehm, wenn das eigene Herz einem Mann gehört, vor allem einem wie Duval.«
Ich kann einfach nicht anders. »Wie meint Ihr das, einem wie Duval?«
»Ich meine einem Mann, der Pflicht und Ehre über alles andere stellt, ganz gleich, was es ihn kostet. Oder Euch.«
Ihre Worte freuen mich, denn wenn selbst sie solche Dinge über ihn sagt, bestätigt das, was ich zu glauben gelernt habe: dass er der Herzogin treu ergeben ist. »Ein Jammer, dass Ihr Eure eigene Ehre nicht ebenfalls so hoch schätzt, Madame.«
Ein zartes Stirnrunzeln erscheint zwischen ihren Brauen. »Wie meint Ihr das?«
»Ich meine, dass Ihr eine Verräterin an der Krone der Bretagne seid, und dafür müsst Ihr sterben. Der Heilige Mortain hat es verfügt.«
Sie legt sich eine Hand auf die Stirn. »Ist das der Grund, warum es hier drin so warm wird?«
Ich bin beeindruckt, dass sie nicht in Ohnmacht fällt oder schreit oder um Hilfe ruft. »Ja, gnädige Frau. Das ist das Gift, das zu wirken beginnt.«
»Gift?« Ihr Gesicht entspannt sich ein wenig. »Dafür danke ich Euch. Ich habe keine große Liebe zu scharfen Dingen. Oder Schmerz.«
Ihre Gefasstheit überrascht mich, da ich sie immer für überspannt und reizbar gehalten habe. »Wer außer François ist in Eure Ränke und Verschwörungen verstrickt?«
Als der Name ihres Sohnes fällt, wird sie steif vor Angst. »Nein! Nicht François! Erhebt nicht die Hand gegen ihn!« Sie steht vom Bett auf, überwindet die Entfernung zwischen uns und packt mich an den Schultern. Ich zucke zusammen, als ihre schlanken Finger sich in meine noch immer empfindliche Wunde bohren. »Ich war es, nur ich. François wollte nichts damit zu tun haben. Ihr dürft ihn nicht töten. Versprecht es mir!«
»Ich kann kein solches Versprechen abgeben. Wenn mein
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