Grave Mercy Die Novizin des Todes
ich nicht mehr wissen will. »Ich erwarte nicht von Euch, dass Ihr die Pflicht und den Gehorsam versteht, die jenen abverlangt werden, die Mortain dienen«, erwidere ich, und meine Stimme klingt steif und verkniffen.
»Wie entscheidet das Kloster, wer getötet werden soll?«, bedrängt er mich.
Ich mustere sein Gesicht eingehend, aber ich kann nicht erkennen, ob er das Kloster infrage stellt oder nur mich. »Das ist, mit Verlaub, Angelegenheit des Klosters, gnädiger Herr, nicht Eure.«
»Wenn ich Euch bei Hof bei Eurem Tun unterstützen soll, werde ich mich nicht im Unklaren halten lassen und lediglich Leichen wegschaffen und Erklärungen erfinden.«
Ich recke verärgert das Kinn vor, denn in meinem Kopf ist es genau die Rolle, die ich ihm zugewiesen habe. »Die Äbtissin wird sich durch Briefe mit mir in Verbindung setzen, und manchmal – manchmal offenbart mir der Heilige Seine Wünsche direkt.«
»Wie?« Seine Frage ist scharf, drängend. Er hungert danach, dieses Rätsel zu verstehen.
Ich zucke die Achseln und versuche, wieder die Kontrolle über das Gespräch zu gewinnen. »Was hat das mit Runnion zu tun?«
Er schweigt eine lange Minute, so lange, dass ich schon denke, er wird nicht antworten. Als er es tut, wünsche ich, er hätte es nicht getan. »Macht es Euch keine Sorgen, dass Ihr nichts davon versteht, wie sie ihre Entscheidungen treffen? Was ist, wenn sie einen Fehler machen?«
»Einen Fehler?« Meine Wangen werden heiß bei dieser Andeutung. »Ich sehe nicht, wie sie das könnten, gnädiger Herr, da ihre Hand von dem Heiligen selbst geleitet wird. Also wirklich, etwas Derartiges anzudeuten riecht für mich nach Blasphemie.«
»Es ist nicht der Heilige, an dem ich zweifle, Demoiselle, nur die Menschen, die Seine Wünsche deuten. Meiner Erfahrung nach sind Menschen nur allzu fehlbar.« Wieder schweigt er kurz, aber bei seinen nächsten Worten gerinnt mir der Käse, den ich gegessen habe, im Magen. »Runnion hat für die Herzogin gearbeitet.«
»Nein! Er war ein Verräter! Ich selbst habe das Todesmal an ihm gesehen.«
Duval reißt den Kopfherum, um mich anzustarren, sein Blick stechend und voller Interesse. »Das Mal eines Verräters, Demoiselle? Wie sieht es aus?«
Obwohl mir von dieser Enthüllung noch immer die Sinne schwinden, begreife ich, wie geschickt ich dazu überlistet wurde, mehr zu offenbaren, als ich beabsichtigt hatte. »Das ist nichts, was ich mit Euch teilen kann.«
»Ich meine mich zu erinnern, dass Eure Äbtissin davon gesprochen hat, dass wir zusammenarbeiten sollen.«
»In weltlichen Dingen, ja, aber sie hat nichts davon gesagt, dass ich die Heiligkeit unserer Rituale verraten soll.« Ich schaue vielsagend auf das silberne Blatt an seinem Umhang. »Würdet Ihr mir die Riten des heiligen Camulos offenbaren?«
Er ignoriert diese Frage, denn er weiß, dass ich recht habe. »Die Definition Eurer Äbtissin für das Wort Zusammenarbeit weicht stark von meiner ab«, murmelt er. »Bedenkt dies. Runnion hat den Herzog vor drei Jahren verraten, während des Wahnsinnigen Krieges, aber später hat er dieses Tun bereut. Tatsächlich wollte er seinen Verrat wiedergutmachen. So kam es, dass er für uns arbeitete, als eine Möglichkeit, das Wohlwollen seines Landes zurückzugewinnen.«
Ich habe das Gefühl, als sei ich von einem der Pfeile der heiligen Arduinna zu Stein verwandelt worden. »Ihr lügt.«
»Nein, das tue ich nicht.« Er schaut mir direkt in die Augen, und was ich dort erblicke, sieht beunruhigend nach Wahrheit aus. »Vielleicht, Demoiselle, ist Euer Heiliger vielschichtiger, als Euer Kloster Euch glauben machen möchte. Nun kommt, ich denke, die Pferde haben sich lange genug ausgeruht.«
Dreizehn
DUVALS OFFENBARUNG IN BEZUG auf Runnion plagt mich während des restlichen Nachmittags. Wenn Runnion unschuldig war, warum hat das Kloster mich dann ausgeschickt, ihn zu töten? Wusste es nichts von seiner Arbeit für die Herzogin? Oder weiß es etwas, das Duval nicht weiß?
Und wenn Runnion für die Herzogin gearbeitet hat, warum hat er dann das Mal getragen? Warum hatte Mortain diesen Makel nicht von der Seele des Mannes genommen?
Ich befürchte, dass die Antwort in meiner Tat liegt. Habe ich ihm durch meinen Mord seine Chance geraubt, sich Vergebung zu verdienen?
Ich schiebe diesen beunruhigenden Gedanken von mir. Mortain ist allwissend. Gewiss hätte Er Runnion verschont, wenn Er ihn für würdig gehalten hätte.
Ich ringe noch immer mit dem Thema Runnion, als Duval
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