Grave Mercy Die Novizin des Todes
dem Mann Platz. »Ich habe nicht erwartet, Euch so bald zu sehen. Schon gar nicht, Euch hier zu finden.«
Die Blicke der beiden Männer treffen sich, und eine unausgesprochene Nachricht wird mit ihnen ausgetauscht. »Wir sind gut vorangekommen«, sagt die Bestie, dann bedeutet er dem Gastwirt, einen weiteren Becher zu bringen. Der Wirt ist nur allzu glücklich, dieser Legende, die in sein Gasthaus gekommen ist, zu Diensten zu sein.
»Wir? De Lornay ist bei Euch?«, fragt Duval.
»Jawohl. Er hat beim Münzenwerfen verloren und kümmert sich um die Pferde.«
»Ist das de Lornay?«, frage ich und starre den Mann an, der gerade den Raum betreten hat. Er ist ebenfalls hochgewachsen, wenn auch eher so groß wie Duval und nicht wie die hünenhafte Bestie, und auch er trägt vom Straßenschmutz befleckte lederne Reitkleider, aber damit endet auch die Ähnlichkeit zwischen den beiden Neuankömmlingen. Er ist vielleicht der schönste Mann aller Zeiten – mit seinem strahlenden Gesicht und einer großen Anmut sieht er aus wie ein Erzengel, der vom Himmel gefallen ist. Als er unseren Tisch erreicht, hat er bereits eine kleine Armada von Schankmädchen im Schlepptau, die daraufbrennen, seine Wünsche zu erfüllen. Angewidert wende ich den Blick ab und nehme einen Schluck Wein.
Duval erhebt sich, um ihn zu begrüßen, und ich spüre, dass die Bestie mein Gesicht betrachtet. »Gefällt Euch de Lornays Schönheit nicht, Demoiselle?«, fragt er.
Ich rümpfe die Nase. »Mich beeindrucken hübsche Männer im Allgemeinen nicht, gnädiger Herr.«
Er grinst entzückt und prostet mir zu. »Ich wusste doch, dass wir uns verstehen würden«, sagt er und leert seinen Kelch. Gewärmt von seinen Worten tue ich das Gleiche.
Als Duval mich de Lornay vorstellt, macht der andere Mann weder Anstalten, meine Hand zu küssen, noch nennt er mich Dame. Tatsächlich ignoriert er mich fast. Die Bestie beugt sich wieder zu mir vor. »Schenkt den Manieren dieses Ritters der Arduinna keine Beachtung.«
Ich schaue de Lornay scharf an, um zu sehen, wie er auf diese Kränkung reagiert, denn es scheint eine schwere Beleidigung zu sein, einen wahren Ritter als nichts anderes zu bezeichnen als einen Liebhaber von Frauen. Aber de Lornay wirft der Bestie lediglich einen verdrießlichen Blick zu und nimmt Platz. Der Wirt erscheint und stellt einen weiteren Krug Wein und einen zusätzlichen Becher auf den Tisch, dann scheucht er die kuhäugigen Schankmägde weg und überlässt uns unserem Abendessen.
De Lornay greift nach dem Krug. »Hat Runnion Euch gefunden?«
Duval wirft einen angewiderten Blick in meine Richtung. »Nein. Er hatte einen bedauerlichen Unfall, bevor er sprechen konnte.«
De Lornay, der sich gerade seinen Becher einschenkt, hält mitten in der Bewegung inne. »Wirklich?«
Duval nickt, und ich starre auf mein Abendessen und tue mein Bestes, so auszusehen, als sei ich außerstande, einen bedauerlichen Unfall zu verursachen. Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass ich nichts falsch gemacht habe, ich habe lediglich Mortain meine Hand leiten lassen.
»Was ist mit ihm passiert?«, fragt de Lornay.
Duval tut die Frage ab. »Mich interessiert mehr, warum ihr hier seid. Ich dachte, ihr hättet gleich nach Eurer Rückkehr in Brest zu tun.«
De Lornay und die Bestie tauschen einen Blick. »Der Baron war nicht da. Er ist auf dem Weg nach Guérande zum Treffen der Staatsmänner«, erklärt die Bestie. »Genau wie wir.«
»Was?«, fragt Duval. Es ist das erste Mal, dass ich Duval verblüfft erlebe. Die Bestie runzelt die Stirn. »Ihr wolltet nicht, dass wir teilnehmen? Wir dachten, Ihr würdet unsere Unterstützung brauchen.«
»Mir ist nicht bewusst, dass ein Treffen der Staatsmänner einberufen wurde! Die Herzogin hatte nicht beabsichtigt, alle Barone zusammenzurufen, bis sie eine klare Lösung für die Krise hat, die sie ihnen vorlegen kann. Seid ihr euch sicher?«
»Ja. Die Nachricht traf in Brest ein, gerade als unser Boot einlief. Sie trug das Siegel des Kronrats.«
Duval nimmt einen riesigen Schluck Wein, als müsse er sich stärken. »Was bedeutet, dass irgendjemand im Rat die Wünsche der Herzogin ignoriert und die Zusammenkunft selbst einberufen hat.« Bei dieser schwerwiegenden Andeutung breitet sich Stille am Tisch aus.
»Könnte sie nicht ihre Meinung geändert haben?«, kann ich nicht umhin zu fragen.
Duval sieht mich an, als habe er vergessen, dass ich da bin. »Nein«, antwortet er sanft.
De Lornay dreht sich um, um mich zu
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