Grave Mercy Die Novizin des Todes
macht einen Satz nach vorn. Solchermaßen überrascht tue ich mein Bestes, ihm zu folgen, aber ich bin nicht so schnell wie er. Nocturne buckelt, dann schlägt sie gegen ein Pferd vor uns aus. Ich bin so beschäftigt damit, zu versuchen, mit Nocturne fertig zu werden, dass ich kaum einen Blick für die andere Reiterin erübrige. Während sie sich ebenfalls müht, die Kontrolle zurückzugewinnen, verflucht sie ihr Reittier mit üblen Beschimpfungen.
Die vertraute Stimme ist wie ein Eimer eisigen Wassers, der mir über den Rücken gekippt wird. Ich recke den Kopf, aber sie ist bereits weitergeritten. Alles, was ich sehen kann, ist ihr schlanker Rücken und die trotzige Neigung ihres Kopfes. Wie sie sich umdreht, um mir einen vernichtenden Blick zu schenken. Der Ärger steht ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Sybella.
Mein Herz beginnt zu rasen, noch während sich die übrigen Reiter auf der Straße zwischen uns drängen und sie aus meinem Blickfeld verschwindet. Jubel durchflutet mich. Sie lebt! Und sie ist in Guérande! Das ist mehr, als ich erwarten durfte. Es genügt, um mir das Herz wieder leicht zu machen, während ich mich beeile, Duval einzuholen.
Sobald wir in der Stadt sind, trotten unsere Pferde durch die gepflasterten Straßen. Häuser aus Stein und Holz ragen keck über die Straße wie Klatschweiber. Geschäfte säumen die schmalen Gassen, ihre Läden weit geöffnet, um Ballen Wolle und Seide vorzuzeigen und Flaschen mit parfümierten Ölen; es gibt Stände von Kerzenmachern und Lebensmittelverkäufern. Letztere bedenke ich mit einem sehnsüchtigen Blick. Unser Frühstück liegt Stunden zurück.
»Versucht, nicht zu gaffen«, sagt Duval erheitert.
»Ich gaffe nicht«, erwidere ich, verärgert darüber, dass er mich erwischt hat.
»Das tut Ihr ganz eindeutig. Wart Ihr noch nie zuvor in einer Stadt?«
»Nicht in einer so großen«, gestehe ich widerstrebend.
Duval schüttelt den Kopf. »Zumindest werdet Ihr keine Mühe haben, die Landpomeranze zu spielen.«
Es ist klar, dass Duval durch die Stadt galoppieren will, direkt zum Hof. Er hält sich jedoch zurück, da wir von Einwohnern umringt sind und Flaneure die Straßen versperren. In dem Bemühen, Letzteren auszuweichen, biegen wir in eine Nebenstraße ein. Duval murmelt einen Fluch, als wir auf einen umgestürzten Wagen treffen, der die Straße versperrt. Getreide und Mehl rieseln aus Säcken auf die gepflasterte Straße, und der Fahrer studiert entsetzt die gebrochene Achse.
»Hier entlang«, befiehlt Duval und biegt in eine schmale Gasse ein.
Wir sind nicht mehr als einige Schritte weit gekommen, als Duval einen erstickten Ausruf ausstößt. Er greift nach seinem Schwert, als drei Männer scheinbar vom Himmel vor ihm auf den Weg fallen. Ein weiterer landet direkt hinter ihm, auf dem Pferd selbst. Das Tier stolpert, aber es ist kampferfahren und fängt sich schnell. Der Hengst tänzelt und schnaubt und zertrampelt beinahe einen der Angreifer. Duval rammt den Ellbogen tief in den Bauch des Räubers hinter ihm und stößt ihn vom Pferd. »Dreht um!«, ruft Duval.
Aber ich bin kein zimperliches Mädchen, das die Flucht ergreift, wenn ein Kampf droht. Es folgt ein Sirren von Stahl, als Duval sein Schwert zieht, dann richtet er es auf den Mann, der versucht, ihn aus dem Sattel zu reißen. Noch während ein dumpfes Geräusch mir sagt, dass die Klinge auf Fleisch und Knochen gestoßen ist, greife ich nach dem langen Messer an meinem Knöchel.
Aber zu spät.
Zwei – nein, drei – weitere Männer tauchen aus den Schatten auf. Nocturne tänzelt und bäumt sich auf. Einer von ihnen packt meinen Zügel, dann muss er rückwärts springen, um Nocturnes durch die Luft wirbelnden Hufen auszuweichen. Ich ziehe mein Messer hervor und gewinne das Gleichgewicht zurück. Dann nehme ich den Fuß aus dem Steigbügel und trete meinem Angreifer mit beiden Füßen ins Gesicht. Er prallt zurück und gibt mir gerade genug Spielraum, um mein langes Messer zwischen uns zu bekommen.
Aber mein Stoß hat mich abermals aus dem Gleichgewicht gebracht, und ich rutsche aus dem Sattel. Ich nutze den Schwung, werfe mich nach vorn und lande sauber auf den Füßen. Dann mache ich einen Ausfallschritt auf den Banditen zu.
Er sieht mein Messer nicht rechtzeitig.
Seine Augen weiten sich, als es in seinen Bauch dringt. Ich wappne mich, aber da ist kein Wispern von Seele. Also kein tödlicher Hieb. Es gibt ein glucksendes Geräusch, als ich die Klinge herausziehe, aber bevor ich
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