Grave Mercy Die Novizin des Todes
meine Haut streicht, schaudere ich. Ich trete aus meinem Rock, und nur bekleidet mit meinem Unterkleid eile ich hinüber zu dem riesigen Bett, klettere unter die dicken Decken und heiße ihre Wärme willkommen.
Ich kann Duval im Nebenzimmer auf und ab gehen hören, rastlos und erregt. Seine Wut dringt unter der Tür herein wie faulige Dämpfe aus einem stinkenden Sumpf. Ich verdränge es aus meinem Geist. Wen seine Mutter als Geliebten erwählt, kann für Mortain nicht von Interesse sein.
Einige Zeit später werde ich von zornigen Stimmen geweckt. Zuerst denke ich, sie seien bei mir im Raum, dann begreife ich, dass sie aus Duvals Zimmer kommen. Die Tür ist dick, also fange ich nur Bruchstücke auf.
»… Du wirst uns alles ruinieren …«
»Habt Ihr so wenig Respekt vor meinem Vater, dass Ihr …«
»… hat nichts zu tun mit …«
Es ist Madame Hivern. Sie und Duval streiten.
Jetzt bin ich hellwach, und gerade als ich die Decken zurückstreife, damit ich an der Tür lauschen kann, höre ich eine andere Tür mit einem dumpfen Aufprall zuschlagen. Nach einem kurzen Moment folgt ein helles, klirrendes Krachen aus Duvals Zimmer, ein Zersplittern von Kristall, bei dem ich aufspringe. Ich habe dieses Geräusch nur ein einziges Mal im Leben gehört, im Büro der Äbtissin, und bevor mein Kopf weiß, was meine Füße tun, fliege ich zur Tür und fummele am Riegel.
Duval liegt am Feuer in einem Sessel, den Kopf zurückgeworfen und die Augen geschlossen. Neben ihm steht eine offene Karaffe, und der kräftige, fruchtige Duft von Wein mischt sich mit den letzten Resten von Madame Hiverns Rosenparfüm. Das Licht des Feuers glitzert auf den Scherben des zerbrochenen Kristallkelchs auf dem Boden, und ich bleibe stehen, weil ich Angst habe, mir die Fußsohlen zu verletzen. »Gnädiger Herr?«, flüstere ich, und Angst lastet auf meiner Brust.
Duvals Kopf fährt hoch, und seine Augen sind voll tiefer Verzweiflung. Er wendet schnell den Blick ab, aber es ist zu spät. Ich habe seinen Gesichtsausdruck gesehen, und Mitgefühl wegen etwas, das ich nicht einmal verstehe, durchflutet mein Herz. »Ich habe ein Krachen gehört …«
Er zieht höhnisch eine Augenbraue hoch; sein Gesicht ist jetzt eine spröde Maske. »Und Ihr habt gedacht, Ihr könntet mich vor angreifendem Kristall retten, nur mit Eurem Unterkleid angetan?«
Bei seinem spöttischen Tonfall zucke ich zusammen. Wahrhaftig, warum bin ich herbeigeeilt? Selbst wenn er vergiftet worden wäre, was hätte ich tun können? Seine Seele, denke ich, erleichtert, dass mir ein Grund eingefallen ist. Wenn er sterben würde, müsste ich alles von seiner Seele erfahren, was ich kann, bevor sie davongeht.
Er betrachtet die leere Karaffe neben sich. »Es sei denn, Ihr wollt feststellen, ob Euer Gift gewirkt hat? Bin ich denn eins Eurer Anschlagsziele?« Die Erschöpfung in seiner Stimme deutet an, dass es ihm nicht gar so viel ausmachen würde.
Und obwohl ich Madame Hivern schon zuvor nicht mochte, hasse ich sie jetzt aus irgendeinem unerklärlichen Grund. »Seid Ihr betrunken?« Ich versuche, ebenso viel Verachtung in meine Worte zu legen, wie er es zuvor getan hat.
»Nein. Ja. Vielleicht ein wenig. Definitiv nicht genug.« Die Trostlosigkeit ist wieder da, und er wendet sich ab, um in die Flammen zu starren.
Ich bin hin und her gerissen zwischen der Überlegung, ihn allein zu lassen, damit er sich in seiner Verzweiflung suhlen kann, und dem Wunsch, zu ihm zu eilen und diesen Ausdruck aus seinen Augen zu vertreiben. Dass ich mich danach sehne, das zu tun, entsetzt mich, und Panik pocht gegen meine Rippen.
»Ich schlage vor, dass Ihr in Euer Zimmer zurückkehrt«, sagt Duval, der noch immer ins Feuer starrt. »Es sei denn, Ihr seid gekommen, um Eure Lektionen in Verführung an mir zu üben?« Sein Mund verzieht sich in bitterer Erheiterung. »Das könnte mich durchaus bis Sonnenaufgang unterhalten.«
Ich reiße den Kopf zurück, als hätte ich eine Ohrfeige bekommen. »Nein, gnädiger Herr. Ich hatte lediglich die Absicht, für Eure Seele zu beten, falls Madame Hivern beschlossen hätte, Euch zu vergiften. Mehr nicht.« Und mit diesen Worten drehe ich mich um und fliehe aus dem Raum, dann verriegele ich meine Tür, als könne ich die beunruhigende Einsicht sowohl in seine Seele als auch in meine aussperren. Was immer hier für Spielchen gespielt werden, er ist ein Meister darin, und ich werde gut beraten sein, das nicht zu vergessen.
Am nächsten Morgen ist die Stimmung
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