Grave Mercy Die Novizin des Todes
»Ihr könntet ebenfalls vergiftet worden sein.«
Jetzt, da er es erwähnt hat, nehme ich ein schwaches Brennen in meinem Arm wahr. Ich schaue auf den Schnitt hinunter. »Mir geht es gut«, versichere ich ihm.
»Woher wollt Ihr das wissen? Vielleicht arbeitet sich genau in diesem Moment Gift zu Euren lebenswichtigen Organen vor.« Er ergreift abermals meinen Arm und hält ihn fest, während er mich zu seinem Pferd führt.
Er weiß nicht, dass ich immun gegen Gift bin, und es widerstrebt mir, es ihm mitzuteilen. Wenn er selbst hinter dem Überfall auf uns steckt, ist es besser, ihm solche Geheimnisse nicht zu verraten. Als wir sein Pferd erreichen, bleibt er lange genug stehen, um mir die Stirn zu fühlen. »Noch kein Fieber«, murmelt er.
»Ich habe Euch doch gesagt, es geht mir gut.«
Er ignoriert meine Beteuerungen und legt die Hände um meine Taille. Ich habe kaum Zeit aufzukeuchen, bevor ich auf dem Rücken des Pferdes sitze. Der Abdruck seiner Hände brennt noch immer auf meiner Haut. Er springt in den Sattel, dann ergreift er die Zügel. »Haltet Euch an mir fest, oder Ihr werdet herunterfallen«, weist er mich über die Schulter an.
Zaghaft lege ich die Hände an seine Seiten.
»Festhalten!«, wiederholt er, dann gibt er dem Pferd die Sporen. Wir fliegen vorwärts, und ich habe kaum Zeit, die dicken Stoffbahnen seines Umhangs zu packen, um nicht herunterzufallen.
Er galoppiert in die Richtung zurück, aus der wir gekommen sind. Der umgestürzte Wagen ist jetzt verschwunden, und nichts deutet auf Menschen in der Nähe hin. Er nimmt eine Nebenstraße, dann eine weitere, und schon bald kommen wir zu einer breiteren Straße mit schöneren Häusern.
Duval hält vor einem von ihnen an. Sein Pferd steht kaum richtig, bevor ein Stallbursche herbeieilt, um die Zügel zu übernehmen. Duval sitzt schnell ab und stellt mich seinem Haushofmeister vor, dann gibt er mich in die Obhut seiner Haushälterin, Louyse, einer rundlichen, freundlich dreinschauenden Frau, die mich fröhlich, wenn auch neugierig willkommen heißt.
Als er anhebt, ihr streng Anweisung zu geben, nach einem Arzt zu schicken, bremse ich ihn. »Gnädiger Herr, wenn ich vergiftet worden wäre, wäre ich inzwischen tot.«
Er sieht mich finster an und beginnt, Einwände zu erheben, aber ich falle ihm ins Wort. »Wirklich. Seht Euch doch an, wie schnell es mein Pferd gefällt hat. Gewiss wäre eine Person von meiner Größe bereits tot.«
Bei meinen Worten hellt seine Miene sich ein wenig auf. »Vielleicht. Aber warum sollte nur eine ihrer Klingen vergiftet gewesen sein?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es mir gut geht, und das ist genug.«
Er nickt knapp. »Also schön. Louyse wird dafür sorgen, dass Ihr alles bekommt, was Ihr benötigt.« Er überrascht mich, indem er meine Hand ergreift. Er tut es wegen der Diener, sage ich mir. Um sie von unserer Maskerade zu überzeugen. »Versprecht mir, dass Ihr nach einem Arzt schicken werdet, wenn Ihr anfangt, Euch krank zu fühlen.«
Ich will über seine Sorge lachen. Nein, ich will sie um mich wickeln wie eine Decke und mich mit ihr über meinen jüngsten Verlust hinwegtrösten. Stattdessen sage ich: »Ich verspreche es«, weil ich weiß, dass mich das nichts kosten wird.
Und dann springt er auf sein Pferd, befiehlt vieren seiner Männer, mit ihm zu reiten, und bricht auf. Als sie mit klappernden Hufen aus dem Innenhof reiten, begreife ich, dass ich nicht weiß, ob sie zum Palast wollen oder zurück zum Schauplatz unseres Angriffs. Mein Verlangen, es in Erfahrung zu bringen, ist so stark, dass ich einen Schritt vorwärts mache, als wolle ich hinter ihnen herlaufen, aber dann bemerke ich Louyses verwirrten Blick.
Ich bedenke sie mit einem hohlen Lächeln, und sie lächelt breit zurück. »Kommt, Demoiselle. Ihr seid zweifellos erschöpft von Eurer Reise.«
Ich staune darüber, wie ehrerbietig sie ist, denn ich bin mir sicher, dass sie Duval das Wort vergiftet hat sagen hören, und doch wirft sie mir weder neugierige Blicke zu, noch stellt sie mir irgendwelche aufdringlichen Fragen.
Stattdessen führt sie mich ins Haus. Zu meiner Linken öffnet sich eine große Halle, und die Sonne, die durch das Erkerfenster fällt, schimmert auf den Wandbehängen. Mir kommt der Gedanke, dass ich zumindest versuchen sollte, Duvals Haus zu durchsuchen, jetzt, da er fort ist, aber in Wahrheit steht mir der Sinn nicht danach. Ich bin zum Umfallen müde, und meine Bewegungen fühlen sich an, als watete ich
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