Grave Mercy Die Novizin des Todes
feinen Möbeln und eleganten Wandteppichen, die mir nicht im Geringsten helfen können. Es gibt jedoch ein Fenster mit Blick auf einen kleinen, umfriedeten Innenhof. Ich strecke den Kopf heraus, erfreut zu sehen, dass Duvals Zimmer direkt daneben ein Fenster hat. Es ist leichter, durch Glas zu hören als durch Stein.
Sobald ich mich davon überzeugt habe, dass niemand unten im Innenhof ist, ziehe ich meinen Umhang aus, damit ich nicht stolpere, und trete auf das Fenstersims. Vorsichtig schiebe ich mich zentimeterweise über den schmalen Vorsprung, bis ich das Holz zu fassen bekomme, mit dem Duvals Fenster gerahmt ist. Ich halte inne, dann drücke ich mich flach an die Wand, damit man mich von innen nicht sehen kann. Duvals Stimme belohnt mich schon bald für meine Mühen; sie klingt leicht gedämpft, ist aber durch das dicke Glas zu hören. »Wenn Ihr mir nicht sagen könnt, für wen Ihr arbeitet, dann haben wir nichts mehr zu besprechen.« Seine Stimme ist kalt und hart wie der Stein in meinem Rücken.
»Ihr wisst sehr wohl, dass es nur wenige gibt, denen man am Hof der Herzogin trauen kann. Wenn die Kunde von der Identität meines Lehensherrn in die falschen Hände fiele, würde das viele Menschen gefährden.«
»Ihr könnt nicht von mir erwarten, dass ich zu einem Rendezvous mit Eurem rätselhaften Herrn ins Blaue galoppiere, es könnte leicht eine Falle sein.«
»Ihr dürft die Zeit und den Ort des Treffens wählen, zu Eurem eigenen Vorteil. Aber mein Lehensherr hat einen Plan, einen Vorschlag« – die Stimme klingt, als lächele er bei dem Wort –, »von dem er denkt, dass Ihr ihn überaus faszinierend finden werdet.«
Es folgt eine lange Pause, während Duval dies bedenkt und wahrscheinlich die Risiken abwägt. Ich horche konzentriert in den Raum hinter der Scheibe hinein, aber mein Blick sucht den Innenhof unter mir ab. Meine Finger und Zehen sind in der bitteren Kälte des Morgens taub geworden, aber ich werde meinen Posten nicht verlassen, bevor ich Duvals Antwort gehört habe.
»Warum ich?«, fragt er schließlich. »Warum hat Euer Lehensherr Euch zu mir geschickt statt zum Kanzler oder einem der Vormünder der Herzogin?«
»Weil Blut dicker ist als Amtsketten. Mein Lehensherr glaubt, dass Euch mehr als jedem anderen am Wohlergehen der jungen Herzogin liegt.«
Interessant, dass der mysteriöse Herr etwas Derartiges denkt. Ist es leere Schmeichelei? Oder kennt der Mann Duval persönlich?
Im Raum ist es still, während beide Männer einander abschätzen, so stelle ich es mir vor, und ich zappele beinahe vor Ungeduld – ich bin erpicht darauf, Duvals Antwort zu hören, und fast ebenso sehr brenne ich darauf, von diesem Ort zu verschwinden, bevor ich entdeckt werde.
»Also schön«, sagt Duval endlich. »Ich werde mit Eurem Lehensherrn sprechen und hören, was er anzubieten hat. Sagt mir, wo Ihr wohnt, und ich werde Euch eine Nachricht schicken, wann und wo wir uns treffen werden.«
Davon überzeugt, dass das Wesentliche des Treffens besprochen worden ist, löse ich meine Finger vom Fensterrahmen und biege sie, damit das Blut wieder fließen kann. Langsam, aus Angst, mit meinen tauben Füßen einen falschen Schritt zu machen, schiebe ich mich zentimeterweise zurück zu dem angrenzenden Raum. Steif vor Kälte erreiche ich halb fallend, halb kletternd das Zimmer, dann schließe ich leise den Fensterladen. Ich greife nach meinem Mantel und reibe mir die Arme in dem Versuch, wieder warm zu werden, aber nur für einen Moment. Ich muss weit von hier fort sein, bevor Duval sein Treffen beendet.
Ich eile zur Tür, öffne sie einen Spaltbreit und spähe in den Flur hinaus, dann schnappe ich vor Überraschung beinahe nach Luft, als ich Madame Hivern vor Duvals Tür herumlungern sehe. Hoffentlich hat die Tür für sie ein ebenso unüberwindliches Hindernis dargestellt wie für mich.
Ich weiß, dass Duval dieses Treffen geheim halten wollte, aber mein Argwohn der Frau gegenüber treibt mich in den Flur. Ich setze einen verwirrten Gesichtsausdruck auf, dann trete ich aus dem Büro. »Madame Hivern?«, frage ich und lasse meine Stimme jung und ein klein wenig zittrig klingen.
Erschrocken wirbelt sie herum. »Demoiselle Rienne? Was tut Ihr hier?« Ihr hübsches Gesicht ist argwöhnisch.
Ich sehe mich unsicher um. »Ich habe nach den Räumen von Vicomte Duval gesucht. Einer der Lakaien hat mir gesagt, sie lägen in diesem Flur, aber ich muss mich bei den Türen verzählt haben.«
Ihr Gesicht entspannt sich,
Weitere Kostenlose Bücher