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Grave Mercy Die Novizin des Todes

Grave Mercy Die Novizin des Todes

Titel: Grave Mercy Die Novizin des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LaFevers Robin L
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wir den Raum.
    Hinter der Wut, die in seinen Augen lodert, erhasche ich einen Blick auf etwas anderes. Etwas, das bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Furcht hat.
    »War das Teil der Anweisungen Eures Klosters?« Duvals Stimme ist angespannt vor Ärger. »Die Aufmerksamkeit meines Bruders zu erregen, Euch ihm anzubieten, wie Ihr Euch mir angeboten habt?«
    »Nein, gnädiger Herr, so war es nicht«, erwidere ich geziert.
    Aber wahrscheinlich nur deshalb, weil es der Äbtissin nicht in den Sinn gekommen ist.

Zweiundzwanzig
    DUVAL GELEITET MICH PERSÖNLICH zurück zu seiner Residenz. Er sagt, er tue es, damit ich mich unterwegs nicht verirre, aber mir macht er nichts vor. Er will sicherstellen, dass ich nicht in den Palast zurückkehre. Als er aufbricht, um wieder an den Hof zu gehen, erwäge ich, ihm ein zweites Mal zu folgen, aber dann wird mir klar, dass es töricht wäre, da er es wahrscheinlich erwarten wird. Außerdem habe ich nicht den Wunsch, das Risiko einzugehen, noch einmal Madame Hivern über den Weg zu laufen. Die dürftig verschleierte Gehässigkeit ihrer falschen Sorge brodelt noch immer in mir, bösartiger als jedes Gift. Ich frage mich, wie Duval sich fühlen würde, wenn ich seine Mutter tötete, denn ich würde nichts lieber tun. Womöglich wäre er mir dankbar.
    Als ich mein Zimmer erreiche, packt Louyse dort meine Koffer aus. Sie dreht sich zu mir um, und ihre alten Wangen sind rosig. »Oh, Demoiselle! Wie viele hübsche Dinge Ihr habt.«
    In der Tat, eine Fülle an Garnituren der schönsten Gewänder liegt im Raum ausgebreitet. Die Kostbarkeiten, mit denen das Kloster mich ausgestattet hat, machen mich benommen. Samt und Brokat und feinste Seide, alles in blendenden Farben: Dunkelblau, Smaragdgrün und tiefes Bordeauxrot.
    Ein Geräusch an der Tür lässt mich aufschauen, und ich sehe Agnez mit einem großen Vogelkäfig eintreten, den sie um Armeslänge von sich fernhält. Darin sitzt eine ansehnliche, ziemlich wild aussehende Krähe.
    »Sie haben dies hier zusammen mit Euren Koffern geschickt, Demoiselle«, erklärt Louyse. »Wir haben versucht, den Vogel im Stall unterzubringen, aber er hat alle Pferde aufgescheucht, daher hat der Stallbursche darauf bestanden, dass wir die Krähe ins Haus holen. Ist es ein … Schoßtier, Herrin?«
    »Sozusagen. Stell den Käfig drüben ans Fenster«, trage ich Agnez auf. Sie stellt ihn auf den Boden, und die Krähe krächzt und hackt nach ihrem Finger. Sie kreischt und springt zurück, und in ihrer Hast, von dem Vogel wegzukommen, stolpert sie beinahe.
    »Nun ist es aber gut«, sagt Louyse scharf zu ihr, obwohl es nicht wirklich die Schuld des Mädchens ist.
    Mit einem letzten argwöhnischen Blick auf die Krähe verlässt Agnez hastig den Raum. Louyse schüttelt den Kopf. »Werdet Ihr Hilfe beim Ankleiden wollen?« Bei meinem verständnislosen Blick fügt sie hinzu: »Bevor Ihr heute Abend an den Hof geht?«
    »Vielleicht in einer Stunde, vielen Dank.«
    An der Tür hält sie inne. »Oh, das hätte ich beinahe vergessen. Mit den Koffern sind zwei Briefe gekommen. Sie liegen auf dem Tisch dort drüben. Und der kleinste der Koffer ist immer noch verschlossen; sie scheinen keinen Schlüssel mitgeschickt zu haben. Möchtet Ihr, dass ich einen der Lakaien heraufschicke, um das Schloss aufzubrechen?«
    »Lasst mich sehen, was in den Briefen steht, bevor ich mich entscheide.«
    »Sehr wohl, Demoiselle.« Sie macht einen Knicks, dann verabschiedet sie sich und lässt mich mit einer sehr übellaunigen Krähe allein, die versucht, ihren Käfig mit ihrem grimmig aussehenden Schnabel in Stücke zu hacken.
    Ich eile an den Tisch und greife nach dem ersten Brief. Obwohl ich die Handschrift der ehrwürdigen Mutter erkenne, drehe ich den Brief um und untersuche das Siegel. Annith hat eine Fülle an Tricks, um Korrespondenz zu öffnen, und sie hat mich gelehrt, die Zeichen zu erkennen, die auf etwas Derartiges hindeuten, aber an diesem Siegel sehe ich nichts davon. Es ist das gleiche schwarze Wachs, das das Kloster immer benutzt; es riecht schwach nach Lakritze und Zimt, und es ist in einem Stück erhalten, ohne kleinere, dünnere Schichten Wachs, die daraufhindeuten würden, dass es ein zweites Mal versiegelt wurde. Zufriedengestellt reiße ich das schwarze Wachssiegel auf und hoffe auf einen neuen Auftrag. Es gibt so überaus viele hier am Hof, denen ich mit Freuden die Kehle aufschlitzen würde.
    Liebste Tochter,
    ich hoffe, dieses Schreiben findet Dich wohlauf und Du gewöhnst

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