Grave Mercy Die Novizin des Todes
finden? Wenn er seinem Vater nahestand, dann betrachtet er es vielleicht als einen Verrat an seinem Andenken, dass seine Mutter so bald nach seinem Tod ein neues Bett sucht, das sie wärmen kann.
Madame Dinan, Graf d ’ Albret und Marschall Rieux haben die Herzogin verlassen und stehen jetzt zusammen, und ihre Stimmen summen wie emsige kleine Bienen. Das könnte sich als ein überaus interessantes Gespräch erweisen.
Ich wechsele die Richtung und bewege mich auf sie zu, entschlossen zu hören, was sie planen. Ich bin fast da, als eine hochgewachsene Gestalt kühn vor mich hintritt und ich prompt stehen bleiben muss, um einen Zusammenstoß zu verhindern.
Der französische Gesandte Gisors schaut aus beeindruckender Höhe auf mich herab. »Demoiselle Rienne«, sagt er.
»Mein Herr.« Ich mache einen kleinen Knicks.
»Mir scheint, dass ich Euch gestern nicht so herzlich begrüßt habe, wie Ihr es verdient. Ihr müsst mir vergeben, da ich schwerwiegende Angelegenheiten im Kopf hatte.«
»Aber natürlich, gnädiger Herr Botschafter. Ich verstehe vollkommen.« Ich bin wahrhaftig ein Wunder an Zurückhaltung und Schläue.
»Ihr seid jung und unschuldig, was die Gepflogenheiten des Hofes betrifft, selbst wenn es sich um einen so kleinen Hof wie diesen handelt. Es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr mir erlauben würdet, in einigen Dingen als Euer Führer zu fungieren.«
»Das ist sehr freundlich von Euch, gnädiger Herr, aber Vicomte Duval hat versprochen, das zu tun.«
Gisors hält mit seinen grünen Augen Ausschau nach Duval. »Und doch ist er nicht an Eurer Seite. Und es ist Euch vielleicht nicht bewusst, aber noch während wir uns unterhalten, hat sich hinter Euch ein kleiner Schwarm junger Gockel versammelt. Ich würde Euch helfen herauszufinden, mit wem es klug ist, sich zu verbünden, während Euer Duval anderweitig beschäftigt ist.«
Ich öffne den Mund, um Einwände zu erheben, aber er kommt näher – viel zu nah – und legt mir die Hand auf den Mund. Die Kühnheit der Geste schockiert mich so sehr, dass ich verstumme. »Sagt nicht Nein, Demoiselle. Ich bitte Euch nur, darüber nachzudenken. Ich kann dafür sorgen, dass es sich für Euch lohnt. Das Leben bei Hof ist sehr teuer, und keine Frau sollte ohne eigene Mittel sein. Vor allem da Ihr Euch nicht sicher sein könnt, wie lange Ihr unter Duvals Schutz stehen werdet.«
Ich schiebe seine Hand weg. »Wie meint Ihr das?«
»Ich meine, sobald allgemein bekannt wird, dass Duvals Mutter plant, ihren Sohn auf Annes Thron zu setzen, werdet Ihr bei Hof wie eine Aussätzige behandelt werden. Ich wette, dann werdet Ihr nicht zu stolz sein, meine Freundschaft zu akzeptieren.« Und er schlängelt sich davon, wie eine giftige Schlange unter den Stein, unter dem sie hervorgekrochen ist. Ich bleibe schwer atmend zurück; Zorn bringt das Blut in meinen Adern zum Sieden.
Duval und seine Familie planen Hochverrat.
Dreiundzwanzig
ICH KANN NICHT SCHLAFEN. Mein Geist sorgt sich und nagt an dieser neuesten Enthüllung über Duval wie eine Ratte an einem Knochen. Vor einer Woche wäre ich begeistert gewesen über die Entdeckung, so erpicht war ich auf den nötigen Beweis, der meinen Gott dazu treiben würde, etwas gegen ihn zu unternehmen. Aber heute Nacht – heute Nacht fühlt es sich ganz und gar nicht wie ein Sieg an. Ich sage mir, dass es daran liegt, dass die Herzogin ihm so sehr vertraut und dass sie nur noch so wenige Verbündete hat, aber das ist eine Lüge. Ich fürchte, mein Mangel an Freude hat mehr mit Duval selbst zu tun, und es quält mich, dass mein Herz so leicht zu beeinflussen war.
Es ist außerdem möglich – sogar wahrscheinlich –, dass er nichts mit den Ränken seiner Mutter zu tun hat. Dieser Umstand wäre eine gute Erklärung für den Bruch zwischen ihnen. Andererseits wäre ihre offensichtliche Entfremdung auch ein gutes Ablenkungsmanöver.
Von der Tür erklingt ein schwaches Klicken, und alles in mir erstarrt. Ich habe keine Ahnung, ob ich Duval mit dem, was ich in Erfahrung gebracht habe, konfrontieren soll. Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, aus dem Bett zu springen und ihn wegen seiner Doppelzüngigkeit zu beschimpfen, und dem Verlangen, mich beschämt zu verstecken, weil ich so leicht in die Irre zu führen war. Stattdessen ziehe ich die Decken bis zum Kinn hoch, schließe die Augen und hoffe, dass er denken wird, ich würde schlafen. Ich zwinge mein Herz, langsamer zu schlagen, und meinen Atem, tiefer zu werden. Meine
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