Grave Mercy Die Novizin des Todes
kunstvollen Bemühungen werden von einem gedämpften Fluch vereitelt, der in der Dunkelheit erschallt. »Du lieber Gott! Was habt Ihr benutzt, um den Weg zum Fenster zu verbarrikadieren?«
Sein gutmütiges Unbehagen verwirrt mich. »Was?« Desorientiert richte ich mich auf und streiche mir das Haar aus den Augen. »Das ist Vanths Käfig. Ihr könnt ihn einfach aus dem Weg schieben.«
»Das habe ich bereits getan«, brummt er. »Mit meinem Schienbein.« Er lässt sich wie gewohnt in seinen Sessel fallen und funkelt mich an. »Wer um Gottes willen ist Vanth, und warum muss er in einem Käfig gehalten werden?«
Die Dunkelheit im Raum ist nicht vollkommen; ich schlinge die Arme um die Knie, während ich versuche, sein Gesicht zu deuten, aber es liegt zu tief im Schatten. »Vanth ist die Krähe, die die Äbtissin mir geschickt hat, damit ich mich mit ihr in Verbindung setzen kann.«
»Ah, hatte sie irgendwelche Neuigkeiten für Euch? Irgendwelche Aufträge, von denen ich wissen sollte?« Ist das ein sorgenvoller Unterton, den ich in seiner Stimme wahrnehme?
»Warum, gnädiger Herr? Habt Ihr Angst, dass sie von dem Plan Eurer Mutter erfahren hat, ihren Sohn auf den Thron zu setzen?«
Sein Kopf schnellt hoch, und ich kann die Intensität seines Blickes spüren. Sein Schweigen ist Beweis genug, dass sie schuldig sind.
»Wann hattet Ihr vor, mir das zu erzählen? Oder habt Ihr wahrhaft geglaubt, ich würde es nicht herausfinden?«
»Nein, ich wusste, dass Ihr es irgendwann herausfinden würdet, und wenn Ihr es tätet, hatte ich gehofft, Ihr würdet mich danach fragen.«
»Dann frage ich Euch.«
Er lehnt den Kopf gegen den Sessel, und als er das nächste Mal spricht, klingt seine Stimme unsagbar erschöpft. »Meine Mutter hat es sich in den Kopf gesetzt, dass das Land einen Herzog braucht, keine Herzogin. Sie glaubt nicht, dass Anne in der Lage sein wird, die gegenwärtige Krise sowohl mit Frankreich als auch mit den Baronen zu überstehen. Statt zu riskieren, dass das Herzogtum an einen von ihnen fällt, glaubt Madame, es sollte an François fallen, Bastard hin, Bastard her.«
Es hatte früher schon Herzöge in unehelicher Nachfolge gegeben, aber das war lange her. »Warum François und nicht Ihr?«
»Könnt Ihr das nicht erraten?«
»Ja, aber ich will es von Euch hören.«
»Weil ich abgelehnt habe.« Seine Worte klingen abgehackt.
»Was der Grund ist, warum Ihr und Eure Mutter Euch entfremdet habt.«
»Ganz genau.« Er seufzt und fährt sich mit der Hand durchs Haar.
»Warum habt Ihr es mir dann nicht erzählt?«
»Und ihre Todesurteile besiegelt? Ich bin wohl im Durchsetzen der Gerechtigkeit nicht so kaltblütig wie Ihr und das Kloster. Solange ich Eure Befehle und Strategien nicht vollkommen verstehe, habe ich es nicht gewagt, Euch davon zu erzählen.« Es folgt ein Moment der Stille, dann spricht er weiter. »Also, hat Euer Gott sie mit einem Mal gezeichnet?«
»Nein«, antworte ich. »Nicht soweit ich sehen kann.«
Er stößt vernehmlich die Luft aus. »Wie habt Ihr dann von ihren Plänen erfahren?«
»Vom französischen Gesandten, Gisors. Er hat heute Abend nicht nur versucht, meine Loyalität zu gewinnen, sondern mich auch gewarnt, dass ich, sobald die Pläne Eurer Familie bekannt würden, bei Hof wie eine Aussätzige behandelt werden würde.«
Duval flucht. »Wenn schon nichts anderes, sollte dies Euch wenigstens beweisen, wie sehr ich Anne als Herzogin sehen möchte. Zum einen aus Zuneigung zu ihr, aber auch um sicherzustellen, dass meine Mutter und François ihre unklugen Pläne aufgeben.«
»Aber dabei muss ich mich aufEuer Wort verlassen.«
Es folgt ein Rascheln von Samt, als er sich unwirsch vorbeugt. »Wir müssen Waffenstillstand schließen, Ihr und ich. Wenn wir einander ständig an die Kehle gehen, wird das nur unseren Feinden dienen, nicht unserer Herzogin. Ich möchte Euch darum bitten, den Argwohn Eurer Äbtissin beiseitezuschieben und auf Euer eigenes Herz zu lauschen, denn obwohl Ihr so tut, als hättet Ihr keins, weiß ich, dass Ihr durchaus eins habt. Ich bitte Euch nicht um meinetwillen, sondern um meiner Schwester willen darum.
D ’ Albret bedrängt sie, die Versprechungen zu erfüllen, die ihr Vater ihm gemacht hat; der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs will ihre Hand, hat jedoch nicht die Soldaten, um ihr Reich zu sichern, sobald sie diesem Verlöbnis zustimmt. Die Franzosen sitzen uns im Nacken, und ihr bleiben nur sehr wenige Möglichkeiten, die nicht entweder ihr
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