Grave Mercy Die Novizin des Todes
beruhigen.
Madame Dinan wirft ihre Nadelarbeit beiseite und eilt zu Isabeau. Sie sieht Duval finster an. »Eure Neckerei ist unziemlich, gnädiger Herr. Es ist zu viel Aufregung für das Mädchen.«
»Unsinn, Madame«, blafft Anne. »Isabeau hustet, ob mit den Worten meines Bruders oder ohne sie, und zumindest bringt er ein Lächeln auf ihr Gesicht.« Sie wendet sich ihren Hofdamen zu, die nervös dasitzen. »Verlasst uns bitte.« Mit einem Rascheln, so leise wie Schmetterlingsflügel, legen die Damen ihre Stickrahmen beiseite und verlassen den Raum. Aber nicht Madame Dinan, die kühn ihre Position verteidigt.
Duval und die Herzogin tauschen einen Blick, dann wendet Anne sich ihrer Gouvernante zu. »Madame, setzt Euch zu Isabeau, wenn Ihr so freundlich sein wollt, da ich mit meinem Bruder sprechen muss.«
Madame Dinan will Einwände erheben, es steht in ihren Augen zu lesen, aber Duval gibt ihr diese Chance nicht. »Geht ein Stück mit mir, Euer Hoheit.« Er streckt den Arm aus, und die Herzogin ergreift ihn. Dann führt er sie zu dem Fenster an der gegenüberliegenden Wand, und ich stehe da wie bestellt und nicht abgeholt, unsicher, ob ich den beiden folgen oder bleiben und Madame Dinan ablenken soll. Anne schaut über ihre Schulter und bedeutet mir mit einer knappen Handbewegung, ihnen zu folgen. Ich raffe meine Röcke und eile zu ihnen; Madame Dinans sengender Blick brennt mir förmlich ein Loch in den Rücken meines Gewandes. Zu dritt versammeln wir uns vor dem Erkerfenster. Es ist ein großer Raum, und Duval spricht so leise, dass Madame Dinan seine Worte nicht verstehen wird. »Ich bringe interessante Neuigkeiten, Euer Hoheit.«
»Das ist gut zu hören, da es daran gerade jetzt einen offenkundigen Mangel gibt.«
Mit leiser Stimme erzählt Duval ihr von unserem Treffen mit Nemours. Als er fertig ist, verschränkt sie die Hände, und Hoffnung lässt ihr junges Gesicht aufleuchten. »Werden meine Gebete auf solche Weise erhört?«
Als Duval sie anlächelt, begreife ich, dass ich ihn noch nie wahrhaft habe lächeln sehen. Jedenfalls nicht so, dass es sein ganzes Gesicht erwärmt. »So scheint es, liebe Schwester. Aber ich würde Euch davor warnen, mit irgendjemandem darüber zu sprechen. Gisors’ Männer sind uns heute gefolgt, aber wir sind ihnen ausgewichen.« Duval schaut zu Madame Dinan hinüber, die Isabeau aufwartet. »Wir wollen auch nicht, dass d ’ Albret etwas davon erfährt. Wer weiß, was er sich einfallen lassen würde, um unseren Plan zu vereiteln.«
Die Herzogin nickt schnell zum Zeichen, dass sie verstanden hat. »Ich werde niemandem etwas sagen, aber ich kann nicht leugnen, dass es mir etwas gibt, woran ich mich während der Zusammenkunft mit den Baronen morgen klammern kann. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mir davor graut.«
Duvals Züge werden wieder ernst. »Ich denke, das einfachste Vorgehen bestünde darin, Eure Trauer über den Tod unseres Vaters ins Feld zu führen. Er liegt noch nicht lange genug zurück, als dass Ihr schon an eine Ehe mit d ’ Albret oder jemand anderem denken könntet.«
Der Mund der Herzogin zittert kaum wahrnehmbar. »Es ist nicht einmal eine Lüge«, sagt sie, und mir wird bewusst, wie wenige Entscheidungen sie treffen kann, obwohl sie eine Herzogin ist.
Sechsundzwanzig
DIE GROSSE HALLE, DIE mir einst unsagbar riesig erschien, wirkt jetzt unglaublich klein, so vollgestopft mit menschlichen Leibern, wie sie ist. Oh, es sind durchaus adlige Leiber, aber sie riechen nach Schweiß und Parfüm und ungezähmter Erwartung. Ich kann nicht erkennen, ob sie eine Katastrophe oder eine Farce erwarten. Meine aufrichtigste Hoffnung ist die, dass mein Gott alle Verräter heute kennzeichnen und meine Pflicht klar sein wird.
Ich schlängle mich zu einer Stelle an der Wand gegenüber, und meine Schultern drücken sich schmerzhaft gegen das geschnitzte Paneel in meinem Rücken. Trotzdem bin ich dankbar für den Platz und verteidige ihn erfolgreich mit den Ellbogen, wenn andere mir zu nahe kommen.
Während sich die Hauptakteure auf dem erhöhten Podest an der Stirnseite des Raums versammeln, gleitet mein Blick über die Menge. Die Männer haben ihre Schwerter bei den Wachposten an der Tür zurückgelassen, sodass niemand während der Versammlung eine Waffe ziehen kann, aber sie wurden nicht nach Messern oder Dolchen durchsucht. Meine Hand wandert zu meiner eigenen versteckten Waffe an meinem Handgelenk, und ich frage mich, wie viele andere Klingen in Ärmeln oder
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