Grave Mercy Die Novizin des Todes
zwanzig seiner eigenen Soldaten umringt. Merde. Mit so vielen bewaffneten Männern kann ich es nicht aufnehmen.
»Demoiselle Rienne!« Jemand zupft an meinem Rock, und als ich hinunterschaue, sehe ich einen kleinen Pagen. »Was gibt es?«, frage ich.
»Kanzler Crunard bittet Euch, Euch unverzüglich bei ihm einzufinden.«
Ich werfe einen letzten frustrierte n Blick auf d ’ Albrets Rücken, dann richte ich meine volle Aufmerksamkeit auf den Knaben. »Hat er gesagt, worum es geht?«
»Nein, meine Dame, aber bitte, kommt mit.«
Erfüllt von der Hoffnung, dass der Kanzler Neuigkeiten aus dem Kloster hat, lasse ich mich von dem Jungen zu seinen Räumen führen. Der Page klopft einmal an die Tür, dann öffnet er sie. Wenn Kanzler Crunard über die katastrophale Zusammenkunft der Staatsmänner beunruhigt ist, weiß er es wohl zu verbergen. »Kommt herein, Demoiselle«, sagt er, als der Page davonhuscht. Sein Schreibtisch ist fast so groß wie ein Bett, auf einer Seite liegt ein Stapel mit Korrespondenz und auf der anderen drei Landkarten; darüber hinaus finden sich ein kleines Tintenfass und eine Handvoll Schreibfedern auf dem Tisch. Er bietet mir keinen Stuhl an. Stattdessen erhebt er sich und geht ans Fenster. Nach einem langen Moment des Schweigens dreht er sich zu mir um, und seine Miene ist ausdruckslos. »Wohin wolltet Ihr so eilig?«
Ich halte seinem Blick gelassen stand. Einzig mein Versprechen Duval gegenüber, absolutes Stillschweigen zu bewahren, hindert mich daran, ihm von dem neuesten Bewerber der Herzogin zu erzählen und der Hoffnung, die er ihr anbietet. »Ich wollte sehen, ob ich Mortain überzeugen könnte, mir die Erlaubnis zu geben, Graf d ’ Albret zu töten.«
Er blinzelt überrascht. Was immer er erwartet hat, dass ich sagen würde, das war es nicht. Sein Gesicht entspannt sich, und ich entdecke ein belustigtes Funkeln in seinen Augen. »Ja, sucht bei d ’ Albret unbedingt nach einem dieser Male. Dann können wir ihn umbringen und uns gleichermaßen drängenden Probleme zuwenden.«
Obwohl es mich überrascht zu erfahren, dass Crunard von den Todesmalen weiß – er genießt noch mehr Vertrauen bei der Äbtissin, als mir bewusst war –, bin ich froh, dass wir in diesem Punkt übereinstimmen. Er richtet den Blick wieder aufs Fenster. »Habt Ihr noch irgendetwas über Duval und seine wahren Motive in Erfahrung gebracht?«, fragt er.
»Nein, gnädiger Herr. Ich habe nichts gefunden, was Euren Argwohn oder den der Äbtissin rechtfertigt.« Mir ist bewusst, dass ich hier vorsichtig zu Werke gehen muss. »Er scheint der Herzogin überaus zugetan zu sein, und sie scheint ihm mehr zu vertrauen als allen anderen.«
»Und das kommt Euch nicht höchstverdächtig vor?«, fragt er. »Dass sie ihrem Halbbruder mehr als all ihren anderen Brüdern vertraut? Für mich zeugt das von ungebührlichem Einfluss.«
»Oder vielleicht stellt er einfach ihre Interessen über seine«, werfe ich ein und denke dabei an Madame Dinan und Marschall Rieux.
Crunard reißt den Kopf herum und fixiert mich mit einem durchdringenden Blick. »Wie wir alle das tun.«
»Ich wollte nicht respektlos sein, gnädiger Herr, ich meinte nur, dass Duval ihre Interessen sehr am Herzen liegen.«
»Und Ihr vertraut in diesem Punkt seinem Wort?«
»Nein, gnädiger Herr. Ich vertraue meinen eigenen Augen und Ohren. Alles, was ich gesehen und gehört habe, spricht von absoluter Loyalität seiner Schwester gegenüber.«
»Aber ist das nicht der beste Weg, um Argwohn abzuwehren? Tiefe und beständige Loyalität vorzuschützen?«
Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Ich habe keine Worte, mit denen ich Kanzler Crunard von meiner Gewissheit überzeugen kann.
»Nichtsdestoweniger ist es nicht klug, Duval allzu sehr zu vertrauen.« Seine Stimme trieft von Verachtung. »Ich weiß, dass er einen Eid gebrochen hat.« Ich unterdrücke ein Aufkeuchen. Das ist keine Kleinigkeit. »Welchen Eid hat er gebrochen?«, frage ich, bevor ich mich daran hindern kann.
Der Kanzler legt die Finger aneinander, führt sie an die Lippen und mustert mich. »Den Eid, den er seinem Heiligen geleistet hat«, antwortet er. »Ich war zugegen, als er ihn gebrochen hat, ich habe seine Gotteslästerung mit eigenen Augen gesehen.« Als ich nichts mehr sage, nickt er knapp. »Ihr seid entlassen. Informiert mich, sobald Ihr irgendetwas vom Kloster hört.«
Für einen klitzekleinen Moment erwäge ich, ihm von der wunderbaren neuen Möglichkeit zu erzählen,
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