Grave Mercy Die Novizin des Todes
Lyphard ist alt und gebaut aus solidem bretonischem Stein und dicken Holzbalken. In die Wände sind kleine Nischen eingelassen, und eine jede beherbergt einen der alten Heiligen. Mein Blick wandert unwillkürlich zu der hölzernen Statue Mortains. Diese Figur ist alt, älter als alle anderen, die ich je gesehen habe, und sie zeigt Mortain in Seiner Gestalt als Skelett, wie er einen Pfeil umklammert, mit dem er uns warnen will, dass alles Leben flüchtig ist und dass Er es jeden Augenblick beenden könnte.
Während die Bestie und de Lornay Position an den gegenüberliegenden Enden des Kirchhofs beziehen, sitzt Duval ab, dann kommt er zu mir, um mir vom Pferd zu helfen.
»Warum dieser Ort?«, frage ich im Versuch, mich von dem Gefühl seiner Hände um meine Taille abzulenken.
Er stellt mich auf die Füße. »Weil der Priester hier den alten Heiligen noch immer Gebete und Opfergaben darbringt und ich mir seiner Loyalität zu seinem Land sicher sein kann. Außerdem ist es wenig wahrscheinlich, dass Männer in einer Kirche einen Verrat wagen.«
Der Bogen über dem Portal ist mit weiteren Schnitzereien bedeckt, diesmal mit den Muscheln und heiligen Ankern von Saint Mer. Eine freundliche Seele hat eine Weizengarbe für Dea Matrona aufgehängt. Duval zieht die Tür auf, legt die Hand an meinen Ellbogen und schiebt mich hindurch.
Das Innere der Kirche ist dunkel und feucht und erfüllt von dem gehaltvollen würzigen Duft von Weihrauch. Der golden schimmernde Schein, den die brennenden Kerzen werfen, trägt nicht dazu bei, die Kälte aus dem Gebäude zu verscheuchen. Ich kann die Lasten aller Seelen spüren, die hier hindurchgegangen sind, kann den Sog von Tausenden und Abertausenden von Gebeten spüren, die in diesen Mauern gesprochen worden sind. Die Kanzel ist mit Schnitzereien aus dem früheren Leben der Heiligen verziert, und die kupfernen Einlegearbeiten sind grün geworden von Alter und Feuchtigkeit. Dahinter, über dem Altar, ist eine kunstvolle, wenn auch neuere Skulptur der Wiederauferstehung.
Ich gehe zu der Nische der heiligen Amourna und nehme den kleinen Laib frisch gebackenen Brotes aus der Tasche. Es ist die traditionelle Opfergabe, die alle jungen Mädchen darbringen, wenn sie um wahre Liebe bitten, die Tarnung, die Duval und ich für unseren Ausflug in eine alte Kirche ersonnen haben. Damit das Opfergebet erhört wird, muss das Mädchen den Laib mit eigenen Händen geformt haben. In diesem Fall trifft das nicht zu. Die alten Heiligen sind an diesem Ort präsent, und es gefällt mir nicht, eine falsche Opfergabe vor einen Heiligen zu legen, um einen Segen zu erbitten, den ich nicht wünsche. Um mein Gewissen zu erleichtern, bete ich stattdessen, dass die Herzogin Glück in der Ehe findet, die man ihr aufzwingt, welche es auch sein mag.
Als ich fertig bin, deutet Duval auf eine Hintertür, eine, die nur der Priester benutzt. Ich soll hier stehen und dafür sorgen, dass sich ihm niemand von hinten nähert.
Wir warten schweigend, eine Ewigkeit, wie es scheint, bevor ich das Scharren eines Stiefelabsatzes auf der steinernen Stufe höre. Hartes Licht durchschneidet die Dunkelheit, als die Tür geöffnet wird.
Eine einzelne Gestalt betritt die Kirche. Das Haar des Mannes ist blond mit einem rötlichen Schimmer, und sein glatt rasiertes Kinn ist ausgeprägt. Obwohl er offensichtlich vom adligem Geblüt ist, trägt er Brustpanzer und Armschienen. Also nicht einfach eine Hofschranze, sondern ein Mann mit soldatischer Erfahrung. Die beiden Männer begrüßen einander vorsichtig, dann kommt der Fremde direkt zur Sache – noch etwas, was ich an ihm bewundere. »Danke, dass Ihr Euch bereiterklärt habt, Euch mit mir zu treffen.«
Duval nickt. »Eure Vorsicht war absolut begründet. Wir sind einem Trupp Bewaffneter ausgewichen, der uns gefolgt ist.«
Der Fremde lächelt. »Ah ja. Meine eigenen Männer haben sie abgefangen, kurz bevor wir von der Straße abgebogen sind und uns der Kirche genähert haben. Sie führen sie eben jetzt in einer fröhlichen Jagd in Richtung Redon.«
Duval legt den Kopf schräg und mustert den Mann. »Ich kenne Euch«, sagt er schließlich.
Der junge Mann lächelt. »Ihr habt ein gutes Gedächtnis. Ich bin Frédéric, Herzog von Nemours.« Er macht eine tiefe Verbeugung.
Herzog von Nemours! Mein Verstand eilt zurück zu Schwester Eonettes Lektionen. Nemours ist ein kleines, aber reiches Herzogtum, das wie die Bretagne der französischen Krone nur zum Schein huldigt. Der alte Herzog
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