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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Themen nicht diskutieren zu müssen. Ihm graute davor, Rebekkah sagen zu müssen, dass Maylene ermordet worden war – und dass Chris anscheinend nicht bereit war, das Verbrechen zu untersuchen.
    Byron dachte an das obdachlose Mädchen, das am Tag zuvor und abermals in dieser Nacht um das Haus herumgelungert war. Sie war jung, ein Teenager, und zu schwach, um die Verletzungen zu verursachen, die er bei Maylene gesehen hatte. Er fragte sich, ob sie mit jemand anderem unterwegs war, einem Mann vielleicht. Noch einmal überprüfte Byron die Fenster und Türen, entdeckte aber nichts, was auf einen Einbruchsversuch hindeutete. Wahrscheinlich hat sie nur Hunger, entschied er. Sie hatte gewusst, dass das Haus leer stand, und für einen obdachlosen Menschen stellte ein verlassenes Haus ganz sicher eine Versuchung dar. Er nahm sich vor, Chris vorzuschlagen, er solle mit dem Mädchen reden. Vielleicht hatte sie ja etwas gesehen. Wenn nicht, würde sie allzu leicht in die Kriminalität abdriften, wenn man sie mittellos in der Stadt herumspazieren ließ. Claysville war um seine Mitbewohner besorgt. Ganz gleich, ob sie in der Stadt geboren war, sie lebte offenbar derzeit hier, daher musste man sich um sie kümmern. Daran hätte ich eher denken sollen, fiel es Byron ein. Bisher bestand ihr schlimmstes Vergehen vermutlich darin, dass sie Milch von Maylenes Veranda gestohlen hatte. Wenn sie keinen Zufluchtsort fand, keine Nahrung und keine Familie, würde es nicht lange dauern, bis größere Probleme aufträten.

11. Kapitel
    Ein paar Stunden später erwachte Rebekkah in ihrem alten Zimmer aus einem unruhigen Schlummer. Seitdem sie den Sommer nicht mehr hier verbrachte, war es eigentlich ein Gästezimmer, aber trotzdem gehörte es noch ihr. Sie duschte, zog sich an und ging nach unten, wo sie auf Byron stieß, der sich die Augen rieb.
    Er sagte nichts über die halbherzige Einladung, die er in der Nacht ausgeschlagen hatte, und sie verschwieg ihm, dass es sie nicht erschreckte, herunterzukommen und festzustellen, dass er auf sie wartete. Stattdessen sprach eine Weile keiner von ihnen ein Wort. »Ein Jammer, dass dir gar keine Zeit bleibt, ein wenig zu dir zu kommen«, sagte er dann. »Aber die Totenwache hat vermutlich schon begonnen, und wenn wir …«
    »Lass uns fahren!« Sie strich sich über das schwarze Kleid und deutete auf die schwarzen Schuhe. »Wenn ich jetzt nicht bereit bin, wann dann? Was habe ich zu tun?«
    Er hielt den Schlüssel ihres Mietwagens hoch. »Geh einfach aus der Tür!«
    Byron fuhr sie zu Montgomery und Söhne. Sie hielten auf der Rückseite des Gebäudes an und traten durch die Küchentür. Er musste vorher angerufen haben, denn William erwartete sie. Über seinem dunklen Anzug trug der ältere Mann eine mit knallgelben Enten bedruckte Rüschenschürze. In einer Hand hielt er einen Holzlöffel.
    »Geh ruhig!« Mit dem Löffel wies er auf Byron und dann auf die Treppe. »Ich kümmere mich um sie.«
    William wandte sich Rebekkah zu und zeigte zum Tisch.
    Sie setzte sich, und er schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein. Kurz hörte sie oben die Dusche rauschen. Es fühlte sich tröstlich an, hier zu sein, wie in einem richtigen Heim – solange sie nicht an den anderen Teil des Hauses dachte, wo sich Trauergäste um Maylenes sterbliche Überreste versammelten.
    William stellte ihr einen Teller hin, auf den er Rührei und Frühstücksspeck gefüllt hatte. »Sie können sie sehen, wenn Sie wollen. Aber ich weiß, dass Sie Ihre Traditionen hatten, Maylene und Sie. Daher können wir warten, bis die anderen gegangen sind.«
    Rebekkah nickte. »Danke. Ich werde mich schon nicht den ganzen Tag verstecken, aber die …« Sie spürte, wie ihr erneut Tränen in die Augen traten. »Ich überstehe die Beerdigung und schaffe auch die Nachfeier. Ganz bestimmt.«
    »Ich weiß, dass Sie damit zurechtkommen«, erwiderte William. »Kann ich den Damen sagen, dass sie das Essen in Ihrem Haus servieren dürfen?«
    Rebekkah hielt inne. Mein Haus?, dachte sie. Es war immer noch Maylenes Haus. Es fühlte sich falsch an, es ihr Haus zu nennen, aber sprachliche Haarspaltereien brachten sie nicht weiter.
    William sah sie erwartungsvoll an.
    »Sicher«, flüsterte sie. »Es ist die richtige Umgebung dafür. Ich habe nur … Sie haben sich schon um alles gekümmert, stimmt’s?«
    »Alles ist bereit und muss nur noch in Ihr Haus gebracht werden. Sie sind wirklich tüchtig«, erklärte William. »Das müssen sie auch angesichts der kurzen

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