Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
Vom Netzwerk:
näherte sich wieder dem Grabstein, an dem er gewartet hatte, bevor Cissy aufgetaucht war. Er wollte Rebekkah nicht beobachten, aber er konnte sie hier nicht allein lassen. Er hätte ihr lieber nicht erzählt, dass Maylene ermordet worden war. Aber er wollte auch nicht, dass sie es zufällig – oder in böser Absicht – von jemand anderem erfuhr.
    Ein schwarzer Schatten links von ihm erweckte seine Aufmerksamkeit, aber als er sich umwandte, sah er nichts und niemanden. Also lehnte er sich an den Baum neben dem Grab und wartete.
    Nie zuvor war ihm klar geworden, dass Claysville auf besondere Art mit seinen Toten umging. Als er nach Chicago gezogen war, hatte es ihn erstaunt, dass es dort keinen festen letzten Trauergast gab. Damals hatte er vermutet, dass so etwas nur in Kleinstädten üblich war, doch achtzehn Monate später – nachdem er in Brookside und Springfield gelebt hatte – war ihm bewusst geworden, dass es nicht an der Größe der Stadt lag. Claysvilles Art, um seine Toten zu trauern, war einfach einzigartig. Während seiner Reisen hatte er genaue Beobachtungen angestellt und war ein paar Monate lang geradezu zu einem Beerdigungstouristen geworden. Nirgendwo sonst spielten sich Bestattungen so wie in Claysville ab. Hier waren beim Trauergottesdienst am Grab gewöhnlich mehrere religiöse Würdenträger anwesend. Hier wurden die Gräber peinlich genau in Ordnung gehalten. Das Gras auf den Friedhöfen wurde gemäht, die Hecken wurden geschnitten und Pflanzen gesetzt. Hier ging bei jedem Trauerzug eine Frau mit und läutete eine Glocke.
    Als Kind hatte er geglaubt, Maylene arbeite für Montgomery und Söhne. Als Teenager hatte er einfach entschieden, dass die Großmutter seiner Freundin ein wenig merkwürdig war. Sie hatte ihre eigene Art, sich zu verabschieden, und die Bewohner der Stadt hatten nichts dagegen, dass sie bei jeder Beisetzung der letzte Trauergast war. Inzwischen war er sich nicht mehr sicher, was er davon halten sollte, besonders da Rebekkah anscheinend den Platz der letzten weiblichen Barrow eingenommen hatte.
    Was entgeht mir hier?, fragte er sich in Gedanken.
    Sobald sie aufgestanden war, fasste sich Rebekkah, wandte sich ab und schritt davon. Erst da trat Byron aus dem Schatten des Baums und ging auf sie zu.
    »Ich wusste nicht, dass noch jemand hier war, bis …« Rebekkah wies mit einer Kopfbewegung den Hügel hinauf. »Bis ich den Lärm hörte.«
    Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Cissy und die Zwillinge waren hier und …«
    »Danke.« Rebekkah errötete. »Ich bezweifle, dass ein Gespräch einen guten Verlauf nähme. Ich war ziemlich ungeduldig mit ihr.«
    Byron zögerte. »Sie wollte dir sagen … Sie wollte diejenige sein, die …«
    »Die mir erzählt, was du mir bisher verschwiegen hast.« Sie reckte das Kinn und musterte ihn. »Du hast nichts davon erwähnt, dass Maylene krank war … Ich weiß, dass es plötzlich geschah. Gestern Nacht und heute Morgen wolltest du mir nichts sagen. Weder William hat davon gesprochen noch einer der Trauergäste bei der Totenwache. Also, was hast du mir verschwiegen?«
    Seit es passiert war, hatte er darüber nachgedacht, wie er es ihr beibringen sollte. Aber es gab keine rücksichtsvolle Art, die Dinge beim Namen zu nennen. »Sie ist ermordet worden.«
    Rebekkah war vermeintlich auf alles vorbereitet gewesen, hatte gedacht, es könne nicht noch schlimmer kommen. Sie hatte sich geirrt. Ihre Knie gaben nach, und ohne Byron wäre sie zusammengebrochen.
    Er legte ihr einen Arm um die Hüften und stützte sie. »Es tut mir leid, Bek.«
    »Ermordet?«, wiederholte sie.
    Er nickte. »Tut mir leid.«
    »Aber … sie ist schon begraben !« Rebekkah trat von ihm weg und wies mit der Hand auf die Stelle, wo ihre Großmutter ruhte. »Was ist mit einer Autopsie? Nachdem sie … dort liegt, ist das nicht mehr möglich. Sag mir, was …«
    »Ich kann dir nichts sagen.« Mit einer vertrauten Geste der Ratlosigkeit fuhr Byron sich durchs Haar. »Ich hoffte Antworten von Chris zu bekommen, vergeblich.«
    »Und das erzählst du mir, nachdem sie begraben ist?«
    »Es sind achtundvierzig Stunden vergangen, Bek. Wenn wir sie nicht begraben hätten« – Byron blickte an ihr vorbei zu dem frisch aufgeworfenen Boden –, »hätte man sie einbalsamieren müssen. Glaubst du, damit wäre sie einverstanden gewesen? Das ist gegen das hiesige Gesetz.«
    Rebekkah wischte sich die Graberde, die ihr an den Händen klebte, am Rock ab »Du weißt genau,

Weitere Kostenlose Bücher